Behörden verweigern Genehmigung - die Frist läuft am 16. Mai 2019 ab
Wird das Fusions-Festival Lärz für 2019 abgesagt? 70.000 Besucher und hunderte Künstler erwartet das Fusions-Festival auf dem Kulturkosmos-Gelände in Lärz. Vom 26. bis zum 30. Juni 2019 heißt es eigentlich fünf Tage Ferienkommunismus auf dem ehemaligen Militärflugplatz: eigentlich. Aus Sicht des Amtes Röbel-Müritz, des Landkreis Mecklenburgische Seenplatte und der Polizei ist das Sicherheitskonzept für das Fusions-Festival nicht ausreichend. Der Veranstalter soll nachbessern – die Frist läuft zum 16. Mai 2019 ab.
Martin Eulenhaupt als Vorstandsvorsitzender des Kulturkosmos Müritz e.V. zeigt sich enttäuscht und kann nicht nachvollziehen. „Es geht der Polizei um die Durchsetzung ihrer Forderung nach Errichtung einer Polizeiwache mitten auf dem Festivalgelände sowie nach anlassloser, polizeilicher Bestreifung und Kontrolle der Kulturveranstaltung Fusion Festival“, heißt es seitens der Organisatoren des Fusions-Festivals. „Seit 2013 ist ein Sicherheitskonzept Teil des Genehmigungsverfahrens. In den Jahren seit 2013 hat sich baulich und konzeptionell nur wenig verändert und die zu berücksichtigende Besucherzahl lag konstant zwischen 60.000 und 70.000. Das Sicherheitskonzept wurde in dieser Zeit aber stetig erweitert um den Sicherheitsanforderungen Rechnung zu tragen“, zu der Kulturkosmos Müritz e.V..
In einer gemeinsamen Pressekonferenz nahmen das Amt Röbel-Müritz, der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte und Nils Hoffmann-Ritterbusch, Polizeipräsident des Polizeipräsidiums Neubrandenburg, am 07. Mai 2019 wie folgt Stellung.
Nach der öffentlich geäußerten Kritik und den Vorwürfen verschiedener Seiten haben sich die Beteiligten heute Nachmittag in einer gemeinsamen Pressekonferenz geäußert. Vertreter des Amtes Röbel-Müritz, des Landkreises MSE und des Polizeipräsidiums Neubrandenburg nahmen während des laufenden Verwaltungsverfahrens Stellung gegenüber den eingeladenen Medienvertretern.
Im Sicherheitskonzept des Veranstalters wurden Mängel bzw. das gänzliche Fehlen maßgeblicher sicherheitsrelevanter Aspekte festgestellt. Zum Beispiel wurden das Crowdmanagement (Kontrolle von Menschenmassen), Entfluchtungs- und Räumungskonzepte, baurechtliche Genehmigungen wie etwa Nutzung der Hangars, Beleuchtungs- und Beschallungstechnik, Kommunikationspläne, Maßnahmen zum Jugendschutz und eine ausreichende Anzahl von Sicherheits- und Ordnungsdienstmitarbeitern nicht oder nur unzureichend benannt. Mehrfache Gespräche haben leider nicht zum Konsens zwischen Veranstalter und zuständigen Behörden geführt.
Andreas Sprick, Leiter des für das Verfahren zuständigen Amtes Röbel-Müritz:
"Der Veranstalter wird seit November 2018 auf die notwendige Umsetzung der Versammlungsstättenverordnung M-V und die zu erfüllenden aktuellen Sicherheitsstandards im Sicherheitskonzept der Fusion-Veranstaltung hingewiesen. Bis zum 28. Februar 2019 sollten die Anmeldung der Veranstaltung und des Zelt- und Campingplatzes erfolgen sowie das Sicherheitskonzept vorgelegt werden, um ein ordnungsgemäßes Prüfen der Unterlagen durch die jeweiligen Fachbehörden zu ermöglichen. Bis zu diesem Termin wurden uns jedoch lediglich Entwürfe vorgelegt."
(Anmerk. d. Verf.) Mehrfach wurden dem Veranstalter neue Fristen gesetzt, ein nach den Hinweisen der Sicherheitsbehörden überarbeitetes Sicherheitskonzept vorzulegen. Das letztlich am 16.04.2019 durch den Veranstalter vorgelegte Sicherheitskonzept entspricht diesen Ansprüchen nicht. Aus diesem Grunde hat sich das Amt Röbel/Müritz entschieden, den Veranstalter mit Schreiben vom 02. Mai zur beabsichtigten Versagung anzuhören.
"Mit der Anhörung zur Untersagung der Fusion 2019 vom 2. Mai 2019 wurde der Veranstalter auf die zu klärenden und nachzubessernden Punkte hingewiesen. Bis zum 16. Mai 2019 hat der Veranstalter nun die Möglichkeit, eine Problemlösung darzulegen. Aktuell scheitert eine Durchführung an fehlenden gesetzlichen Voraussetzungen. Die entsprechenden Auflistungen der Fachämter und die Stellungnahmen der Polizei für die notwendigen Änderungen und Ergänzungen liegen dem Veranstalter vor."
Heiko Kärger, Landrat des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte:
"Es liegt nicht im Interesse des Landkreises oder sonst einer Behörde, die Fusion nicht stattfinden zu lassen. Sicherheitskonzepte müssen aber gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Der Veranstalter kann und wird die Anforderungen lösen, wenn er es denn möchte. Es gibt weiterhin offene Fragen, die beleuchtet werden müssen, zum Beispiel im Bau-, Jugend- und medizinischen Bereich. So geht es unter anderem um die Hangars, den Einlass von Minderjährigen oder plötzlich auftretende medizinische Probleme, wie beispielsweise bei einer Epidemie, zu der es abgestimmte Maßnahmen zu Szenarien geben muss. Was die Flucht- und Rettungswege betrifft, liegen vom Veranstalter bis dato keine Lösungsvorschläge vor.
Die Zeiten ändern sich auch. Wer hätte vor vier Jahren gedacht, dass wir heute Weihnachtsmärkte bestreifen. Und "Notre Dame" hat Jahrhunderte nicht gebrannt und die Firma, die in der Kathedrale gearbeitet hat, hat auch schon jahrelange Erfahrung - und dennoch ist jetzt etwas passiert.
Für mich gehört zu einer Kulturveranstaltung auch der freie Zugang für die Polizei dazu. Das ist zumindest meine persönliche Meinung. Es geht hier um das Einvernehmen mit allen Sicherheitskräften. Und das gibt es hier bisher nicht.
Wir haben eine Verantwortung, alle Besucher vor allen sichtbaren Gefahren zu schützen. Und diese müssen wir wahrnehmen. Wenn man eine Gefahr sieht und nicht darauf reagiert - das halte ich für sträflich."
Nils Hoffmann-Ritterbusch, Polizeipräsident des Polizeipräsidiums Neubrandenburg:
"Meine Behörde hat eine Stellungnahme zum vorgelegten Sicherheitskonzept abgegeben, die offenbar deutlich, so wie ich, in die Kritik geraten ist. Der polizeiliche Wille ist nicht, die Fusion zu verbieten, sondern auf ein Sicherheitskonzept hinzuwirken, das Gewähr dafür bietet, eine möglichst gefahrlose Veranstaltung durchführen zu können. Seit November 2018 gab es immer wieder Gespräche mit dem Veranstalter über bestehende Anforderungen an ein Sicherheitskonzept für Großveranstaltungen. Wir haben seitdem immer wieder auf Defizite aufmerksam gemacht, von denen jetzt der Eindruck vermittelt wird, sie seien neu. Wenn wir diese Defizite feststellen, was sollen wir tun? Weggucken? Vielleicht nicht immer alles so genau nehmen? Wie viel Kompromiss verträgt Sicherheit?! Wer die Probleme erkannt hat und nicht reagiert, der gehört im Unglücksfall zu Recht auf die Anklagebank.
Natürlich kann ich aus der emotionalen Sicht des Besuchers nachvollziehen, dass unsere Bewertungen auf Unverständnis stoßen. Wir müssen aber ausschließlich die Sicherheitsaspekte bewerten und geltende Bestimmungen beachten. Da dürfen für Sicherheitsbehörden weder emotionale, wirtschaftliche noch andere Aspekte im Vordergrund stehen.
Losgelöst von einer großen Zahl an offenen Fragen: Es kann doch niemand ernsthaft an der Notwendigkeit zweifeln, dass Sicherheitsbehörden, Rettungskräfte und Polizei jederzeit einen freien Zugang zum Gelände haben müssen. Wir wollen doch nicht in jedes Zelt gucken, alle Taschen kontrollieren oder mit massiver Polizeipräsenz das Kulturerlebnis stören. Wir wollen schnell, bei jedem Bedarf handlungsfähig sein. Selbstverständlich sind wir uns darüber im Klaren, dass wir mit unserer Anwesenheit im Zweifel einen geplanten Anschlag oder bestimmte Straftaten nicht zwingend verhindern können - aber wir wissen auch: Präsenz hemmt!
Die Polizei ist auf bekannten Festivals gern gesehener Kooperationspartner. Dass auf all diesen Festivals kein ausgelassenes Feiern möglich ist, habe ich noch nie gehört. Überall geht es mit Polizei auf dem Gelände. Nur bei der Fusion nicht?!
Letztlich muss ich auch morgen noch in den Spiegel schauen können. Wenn Menschen zu Schaden kämen, könnte ich das nicht mehr."
Auf Nachfrage, ob die Polizei zu dem Kompromiss bereit wäre, neben dem "Backstage-Bereich zwei" eine mobile Wache einzurichten, erklärte Peter Handsche, Leiter des Ordnungsamtes des Landkreise Mecklenburgische Seenplatte: "Das war sogar die favorisierte Variante der Behörden dort ein Lagezentrum der Rettungskräfte aufzubauen. Das hatte der Veranstalter abgelehnt, weil er keine Wachwechsel über das Gelände wollte. Weitere Alternativvorschläge hat der Veranstalter ebenso abgelehnt."
Die Anhörungsfrist des laufenden Verwaltungsverfahrens endet am 16. Mai 2019. Alle beteiligten Vertreter der Behörden und Ämter hoffen weiterhin, einen Konsens mit dem Veranstalter finden zu können, damit die Fusion 2019 stattfinden kann.
FDP Kreisverband unterstützt Fusion und fordert Innenminster zum Handeln
Toralf Schnur, Vorsitzender der FDP im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte erklärt zu den Problemen mit der Genehmigung des Fusion Festivals in Lärz:
Das Fusion Festival ist seit vielen Jahren ein Bestandteil der Kulturlandschaft in unserer Region. Es ist daher nicht zu verstehen, wenn ein solches Ereignis mit der Begründung abgelehnt wird, dass „bundesweite Sicherheitsstandards“ nicht eingehalten werden. Letztlich gilt im Rahmen des Genehmigungsverfahrens, dass die Behörden nicht nach irgendwelchen vermeintlichen Sicherheitsstandards zu arbeiten haben, sondern vielmehr nach Recht und Gesetz.
In einer freiheitlichen Gesellschaft kommt es zunächst darauf an, dass nicht das Verhindern von Veranstaltungen sondern das Ermöglichen im Vordergrund stehen sollte. Hierbei ist natürlich darauf zu achten, dass die Abwehr von Straftaten, die im Besonderen eine Gefahr für Leib und Leben darstellen, ermöglicht werden muss. Allerdings bedarf es hierzu des Nachweises bzw. eines nachvollziehbaren Anlasses durch die staatlich zuständigen Organe. Der bloße Verdacht reicht eben nicht aus und begründet auch keinen Eingriff in die rechte eines Veranstalters.
Das Errichten einer mobilen Polizeiwache innerhalb des Veranstaltungsgeländes dient jedenfalls nicht in erster Linie der Gefahrenabwehr, sondern vielmehr einer aus Sicht der Polizei nachvollziehbaren Erleichterung der Arbeit. Dies nunmehr als Ablehnungsgrund aufzuführen ist wenig nachvollziehbar, da es mit den Grundsätzen der Einsatzführung nicht im Einklang steht. Letztlich soll ein Einsatz eben mit dem geringstmöglichen Eingriff in das öffentliche Leben stattfinden und genau davon weicht die aktuelle Position der Polizei ab. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Veranstalter in der näheren Umgebung eine Möglichkeit für eine solche mobile Polizeiwache anbietet.
Es gilt auch nicht das Prinzip, welches immer unterschwellig in der Argumentation aufgeführt wird, dass Diejenigen, die nichts zu verbergen haben doch auch kein Problem damit haben dürften, dass sie kontrolliert werden. Eine anlasslose Kontrolle stellt im Ergebnis immer einen der schwersten Eingriffe in das öffentliche Leben dar und widerspricht im Übrigen auch den Grundsätzen unseres Rechtstaates. Es ist im Rahmen der Durchführung einer privaten Veranstaltung eben nicht hinzunehmen, dass der Staat, in diesem Falle vertreten durch die Polizei, allein mit der Begründung einer möglichen Gefahrenabwehr quasi ein Verbot der Durchführung erreichen kann.
Die FDP versteht durchaus die Bedenken der Polizei hinsichtlich des zu erwartenden Alkohol- und Drogenkonsums eines nicht unerheblichen Anteils innerhalb des Teilnehmerkreises. Gleiches gilt für die mit nicht unerheblicher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Bereich des Straßenverkehrs- als auch des Betäubungsmittelrechts, sowie des allgemeinen Strafrechts.
Allerdings führen auch diese Bedenken nicht dazu, dass eine private Veranstaltung verboten werden kann. Die mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit eintretenden Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten werden tatsächlich durch Dritte begangen und nicht durch den oder die Veranstalter. Auch die Veranstaltung selbst ist nicht der unmittelbare Grund bzw. Anlass für den Konsum von Drogen oder Alkohol, selbst wenn dieser Zusammenhang regelmäßig konstruiert wird. Nach hiesiger Einschätzung sollte die Polizei daher auf das Instrument einer mobilen Polizeiwache unmittelbar auf dem Gelände der Veranstaltung verzichten und sich in der Nähe positionieren. Letztlich wird damit die gebotene Zurückhaltung des Staates gewährleistet und die Freiheit aufrechterhalten.
Das Anzeigen aufgegeben werden können ist mit einer mobilen Wache auch in der unmittelbaren Nähe gewährleistet, die Kontrollen der Verstöße gegen das Straßenverkehrsrecht können ohnehin nur im Straßenverkehr geahndet werden. Das Konsumieren von Drogen- und Alkohol wird auch mit einer mobilen Wache innerhalb des Veranstaltungsortes nicht verhindert, zumal das Konsumieren auch nicht gegen geltendes Recht verstößt. Das sogenannte Dealen mit Drogen ist auch mit einer mobilen Wache und einer regelmäßigen Streife kaum kontrollierbar. Mit einem veränderten Kontrolldruck verändern sich eben auch die Mechanismen des Dealens bzw. des Verkaufs, unabhängig wie man dazu steht oder man dies gut oder schlecht findet. Somit gibt es schlicht keinen nachvollziehbaren Grund einen solchen Eingriff in die Eigentumsrechte seitens des Veranstalters zu akzeptieren. Mithin zeigen die Erfahrungen eben auch, dass zwar Straftaten begangen werden, diese sich aber in Bezug zur Teilnehmerzahl in extremen Grenzen halten. Bei gleichem Kontrolldruck seitens der Polizei in einer Stadt mit einer vergleichbaren Bevölkerungsgröße über den gleichen Zeitraum dürften völlig andere Zahlen im Hinblick auf Straftaten und Ordnungswidrigkeiten erreicht werden. Auch dies gehört zu den Wahrheiten, die man als Polizeipräsident nicht ignorieren sollte.
Nach hiesiger Einschätzung bedarf es zwingend eines Einlenkens des Polizeipräsidenten hin zu einem Miteinander im Interesse der Durchführung dieser Veranstaltung. Gleichzeitig sollte der Innenminister auch klar erkennen, dass ein Verbot auf Grundlage des Handelns seines Polizeipräsidenten vor einem Gericht nahezu sicher gekippt wird. Ein solches Scheitern der Behörden vor einem Gericht würde das Vertrauen in die Polizei in erheblichem Umfang beschädigen und ein Festhalten an der Besetzung des aktuellen Polizeipräsidenten unmöglich machen. Es sollte daher zwingend ein Einschreiten des Innenministers erfolgen, um ein solches abzusehendes Desaster zu vermeiden.
In einer Online-Petition hat der Kulturkosmosverein Müritz knapp 90.000 Unterschriften für eine Genehmigung des Fusions-Festivals gesammelt
"Gemeinsame Erklärung für die Freiheit von Kunst und Kultur"