Wiederbelebung Bahnhof Karow
Rückkehr zur Drehscheibe des Eisenbahn- & Schienenverkehrs

Der Bahnhof Karow nordwestlich des Plauer Sees war einst eine pulsierende Drehscheibe des Eisenbahn- & Schienenverkehrs. In den letzten Jahrzehnten der DDR verkehrten dort täglich durchschnittlich 20 Personenzüge und 50 Güterzüge. Nach der Wende leerten sich die Gebäude und die Gleise gleichermaßen. Für beide gibt es jetzt wieder Hoffnung. Die graugrünen Personenzüge stehen dicht an dicht. Unzählige Menschen steigen aus und ein oder laufen über die Bahnsteige. Im Hintergrund fahren zwei Güterzüge ein. Die Szenerie, die ein Foto aus den 80-er Jahren zeigt, war damals in Karow Alltag. Der Bahnhof galt zu dieser Zeit als Mecklenburgs größter Dorfbahnhof und bedeutender Knotenpunkt im Personenverkehr. „In den siebziger und achtziger Jahren hatte er seine Hochform und wurde sogar Ausbildungsbahnhof“, schreibt der Bahnexperte Dietmar Jonas.
Mit zahlreichen Güterzügen, die zusehends länger und schwerer wurden, rangierte man auch. „Das merkte jeder, der länger vor den Schranken stehen musste“, berichtet Jonas. „Viele Karower sind gewissermaßen vor den geschlossenen Schranken groß geworden“, erzählt auch der heutige Ortsvorsteher Ralf Perske. Stillstand herrschte auf dem Bahnhof und rundum nie: In den umliegenden Häusern wohnten Leute, ebenso wie im Empfangsgebäude. Dort befanden sich auch eine Gaststätte und zeitweise eine Post. „Es war gleichzeitig ein Anlaufpunkt und der erste Punkt, wenn man irgendwohin wollte“, beschreibt es Perske. Vom Drehkreuz Karow gelangte man damals nordwärts Richtung Güstrow und Rostock, südwärts Richtung Plau und weiter ins heutige Brandenburg, westwärts Richtung Lübz und Parchim oder Richtung Sternberg und ostwärts Richtung Malchow, Waren (Müritz) und Neustrelitz.
Bahnhof Karow zwischen Malchow und Plau am See

Nach der Wende wurde es ruhig auf dem Bahnhof Karow. „Es gab nichts mehr per Eisenbahn zu befördern“, meint Dietmar Jonas. Auch die Menschen reisten weniger mit der Bahn. Oder nutzten sie sie weniger, weil es sie kaum noch gab? In Karow sperrte man Gleise und reduzierte das Personal drastisch. Aus einst über zwanzig Gleisen wurden zwei Doppelgleise mit Bahnsteig dazwischen. Dort installierte man einen Wetterschutz. Er sollte in gewisser Weise das große Dach vor dem Empfangsgebäude ersetzen, das 1995 entfernt worden war. Die Fußgängerbrücke über die Schienen, die man erst Anfang der Neunziger renoviert hatte, wurde 2000 aus Sicherheitsgründen gesperrt. Seitdem gelangt man ebenerdig zu den Gleisen. Die Gaststätte schloss 1999 endgültig. 2003 zog die letzte Mieterin aus dem Empfangsgebäude aus.
Auch die umliegenden Häuser auf dem Gelände hatten sich nach und nach geleert. Die Gebäude, von denen mehrere gleichzeitig mit dem Bahnhof im Jahr 1882 entstanden und die aus roten Ziegeln vom Karower Meiler bestehen, haben eine gute Substanz. Zwölf von ihnen befinden sich auf der Baudenkmalliste des Landkreises Ludwigslust-Parchim: unter anderem die beiden markanten Wassertürme, die zwei Stellwerke und das Empfangsgebäude. „Vieles auf dem Gelände ist verwahrlost und zugewachsen. Aber die Gebäude sind alles andere als abrissreif, die Stellwerke voll funktionstüchtig. Es müsste nur wieder Leben rein“, sagt der Ortsvorsteher. Erste Schritte für die Gebäude, die nicht direkt zum Bahnbetrieb gehören, sind nun getan: So kaufte der Investor Christian Lind 2023 die sogenannten „Arbeiterhäuser“ neben der Landstraße und saniert sie. Im kommenden Sommer sollen sie fertig sein. Er möchte auch das Empfangsgebäude und die beiden davor liegenden „Beamtenhäuser“ erwerben. Nach seinen Plänen sollen in allen Bauten reguläre Wohnungen entstehen. Die Gleise und die Signalanlagen sind im Besitz des Betreibers des Bahnhofs, der Regio Infra Nordost GmbH. Dessen Mutterunternehmen, die Regio Infra GmbH, lagert noch technische Ausrüstungsgegenstände im Empfangsgebäude, das derzeit einer Privatperson aus Berlin gehört. Der Betreiber hatte 2019 kommuniziert, die Strecken Parchim-Malchow und Plau am See-Güstrow wegen Perspektivlosigkeit stilllegen zu müssen, die durch den Bahnhof Karow führen. Dort hatten über die Jahre neben sporadischem Güterverkehr auch während der Saison private Eisenbahngesellschaften Personen befördert.
Gegen die Stilllegung protestierte erfolgreich die „Bürgerinitiative für den Erhalt der Südbahn“. Man habe damals rund 15.000 Unterschriften zusammenbekommen, berichtet Sprecher Clemens Russell. Langfristig möchte die Initiative nicht nur die Südbahn, die mehr oder weniger der Ost-West-Verbindung entspricht, sondern das gesamte Drehkreuz Bahnhof Karow wiederbeleben. Unterstützt von fünf ihrer Landkreise haben die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg eine Studie in Auftrag gegeben, die ermitteln soll, welchen Nutzen das Projekt hätte und welche Kosten damit verbunden wären. Mit Ergebnissen wird demnächst gerechnet. Unabhängig davon haben die Landkreise Ostprignitz-Ruppin und Prignitz bereits das Resultat eines eigenen Gutachtens veröffentlicht. Es attestiert der Wiederaufnahme des durchgehenden Verkehrs zwischen Neustadt/Dosse und Güstrow ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis. „Unsere Vision heißt Karower Kreuz 365 +. Das heißt, dass die Ost-West-Verbindung und die Nord-Süd-Verbindung wieder dauerhaft belebt und intelligent an den Busverkehr angebunden werden, und zwar jeden Tag im Jahr“, betont Clemens Russell. Im Idealfall könnten dann stündlich Züge von Karow aus in die wichtigsten Richtungen fahren. So wäre es attraktiv, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen. Und der Bahnhof Karow würde wieder das, was er einst war: eine lebendige Drehscheibe.