Bei Rettungseinsätzen zählt bekanntermaßen jede Minute. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass Ersthelfende und Rettungskräfte bei ihrem Einsatz durch Schaulustige behindert werden. „Es ist nicht nur eine ethische Frage, in einem Notfall nicht zu gaffen und keine Fotos oder Videoaufnahmen zu machen. Es ist entscheidend für den Rettungseinsatz und unter Umständen lebenswichtig, dass sowohl freiwillige Ersthelfende als auch professionelle Einsatzkräfte so schnell wie möglich und ungehindert Hilfe leisten können“, sagt DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt anlässlich des Welt-Erste-Hilfe-Tages am 11. September 2021.
In einer kürzlich veröffentlichten Umfrage der „HEM/Deutsche Tamoil“ Gruppe wurden die Teilnehmenden nach dem größten Ärgernis rund um die Erste Hilfe gefragt. Sie wählten zu 92% die Antwort „Menschen, die mit dem Handy filmen, statt zu helfen“ und zu 88% die Antwort „störende Gaffer“. Dieses Ergebnis zeigt, dass ein Großteil der Befragten dem Thema eine entscheidende Bedeutung zumisst und unterstreicht, dass Gaffen ein wachsendes Problem ist. Helferinnen und Helfer berichten immer häufiger, dass Menschen mit dem Smartphone Aufnahmen machen, statt zu helfen. Darauf reagierte auch die Gesetzgebung mit einer Neufassung des §201a StGB, die seit Januar 2021 unter anderem auch das Fotografieren und Filmen verstorbener Personen mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren ahndet.
Gaffen behindert nicht nur den Rettungseinsatz, sondern bringt sowohl Ersthelfende und Rettungskräfte als auch die Schaulustigen in Gefahr und kann zu unnötigen Folgeunfällen führen. Zudem kann man wegen unterlassener Hilfeleistung belangt werden, was mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr belegt werden kann. „Statt untätig herumzustehen oder gar zu stören, ist es wichtig, den Anweisungen der Einsatzkräfte zu folgen und wo es geht zu helfen“, so Hasselfeldt.
Neben der rechtlichen Grundlage, ist auch die Sensibilisierung für das Thema in der Öffentlichkeit von Bedeutung. „Um dem Phänomen des Gaffens entgegenzuwirken, muss das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass Erste Hilfe die gesellschaftliche Verpflichtung jedes Einzelnen ist. Zugleich bedarf es einer Stärkung der Handlungskompetenz in allen Altersgruppen, bereits vom Kindesalter an, so dass bei einem Notfall das Helfen im Fokus steht,“ sagt Hasselfeld.
Nach Einschätzung des DRK-Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern e.V. muss jedoch die Erste-Hilfe-Ausbildung an Schulen weiter gefördert werden. Bianca Meyer ist Lehrbeauftrage und verantwortlich für Erste Hilfe beim Verband. „Das Jahr 2019 verzeichnet bundesweit 1.176.664 Schulunfälle. Das ist alarmierend hoch. Das DRK ist bereits seit vielen Jahren gemeinsam mit dem Jugendrotkreuz (JRK) kompetenter Partner der Schulen und bildet in Erster Hilfe aus. Das müssen wir dringend fortführen“, so Meyer.
Erste-Hilfe-Kenntnisse alle 2-3 Jahre auffrischen
Ihren Appell weitet Bianca Meyer aus: „Im Notfall Erste Hilfe zu leisten, kann Leben retten. Doch die Kenntnisse vieler Menschen über mögliche Hilfsmaßnahmen sind oft veraltet. Weniger als die Hälfte unserer Bürgerinnen und Bürger sehen sich in der Lage, adäquat Hilfe zu leisten. Denn der letzte Erste-Hilfe-Kurs liegt mehr als 10 Jahre zurück oder sie absolvierten nie eine solche Ausbildung. Das reicht jedoch nicht aus und die Folgen können fatal sein. Gerade im Straßenverkehr sollte man auf Notsituationen vorbereitet sein und wissen, wie man – über das Absetzen des Notrufs 112 hinaus - schnell helfen kann. Wir raten daher allen Verkehrsteilnehmenden ihre Erste-Hilfe-Kenntnisse alle 2-3 Jahre aufzufrischen.“ Bei Notfällen Erste Hilfe zu leisten, ist nicht nur ein Zeichen der Menschlichkeit, sondern auch eine der grundlegenden Werte des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft.