„Stolpersteine sollen stören, aber hier im positiven Sinne“, erklärte Warens Bürgermeister Norbert Möller am Dienstagnachmittag. Das Stadtoberhaupt von Waren (Müritz) war einer von einem knappen Dutzend Interessierten, die die Verlegung des letzten von insgesamt sieben Stolpersteinen im Soleheilbad verfolgt haben und der Ermordeten gedachten. Die sieben Betroffenen wurden im Dritten Reich im Zuge des Euthanasieprogramms oder der Aktion „Arbeitsscheu Reich“ hingerichtet.
Am 11. Mai 2021, wurden sieben neue Stolpersteine für sieben Opfer des Nationalsozialismus vor ihrem letzten selbst gewählten Wohnort in Waren (Müritz) verlegt. Die Schicksale der sieben ehemaligen Warener wurden durch Jürgen Kniesz, bis März 2021 Leiter des Stadtgeschichtlichen Museums, erforscht und dokumentiert.
Fünf der sieben Steine sind Menschen gewidmet, die aufgrund ihrer psychischen Erkrankung Opfer des sogenannten „Euthanasieprogramms“ der Nationalsozialisten wurden und in den verschiedenen Anstalten umkamen.
Erinnert wird an:
- MARIE DAHNKE, geb. 1895, getötet 1940 in Bernburg (Teterower Straße)
- KONRAD LORENZ, geb. 1884, getötet 1941 in Hadamar (Große Burgstraße)
- FRIEDRICH LOSEHAND, geb. 1887, getötet 1941 in Bernburg (Mühlenstraße)
- JOHANNES SCHMIDT, geb. 1910, getötet 1941 in Bernburg (Gerhart-Hauptmann-Allee)
- GERD ZENGEL, geb. 1905, getötet 1940 in Schwerin-Sachsenberg (Güstrower Straße)
Den perfiden rassenbiologischen Vorstellungen der Nationalsozialisten zufolge galten kranke und behinderte Menschen als lebensunwert. Durch die staatliche Politik gelenkt und durch wissenschaftlich-medizinisch nicht haltbare, abwegige Theorien gestützt, wurden seit 1934 bis 1945 mehr als 400.000 Menschen gezielt getötet - durch Vernachlässigung, Lebensmittelentzug und Vergasung in sechs Tötungsanstalten, die als Erprobungsstätten für die spätere Massenvernichtung der jüdischen Bevölkerung und anderer Bevölkerungsgruppen sowie ethnischer Minderheiten dienten.
Weiterhin erinnern Stolpersteine an
- WILHELM SCHÜTT, geb. 1882, getötet 1940 in Sachsenhausen (Kirchenstraße)
- FRIEDRICH FRANZ WAGENKNECHT, geb. 1913, getötet 1940 in Dachau (Feldstraße)
Beide Männer wurden Opfer der sogenannten Aktion „Arbeitsscheu Reich“, in der soziale Außenseiter als vermeintliche „Asoziale“ verhaftet und in Konzentrationslager deportiert wurden.
Die Stadt Waren (Müritz) ist damit eine von 1265 Kommunen in Deutschland, die mit über 75.000 Stolpersteinen als größtes dezentrales Mahnmal an die ermordeten Menschen erinnern.
Der Bildhauer und Initiator der Stolpersteine, Gunter Demnig, bezieht sich mit der Verlegung der Erinnerungszeichen auf ein Wort des Talmud, das besagt:
„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“
Aufgrund der aktuellen Situation konnte Gunter Demnig nicht persönlich vor Ort sein. Mitarbeiter des Stadtbauhofs unterstützten das Stadtgeschichtliche Museum bei der Verlegung der Steine vor den ehemaligen Wohnhäusern.
Der siebte Stolperstein wurde am Dienstag, dem 11. Mai 2021, um 15.00 Uhr in der Kirchenstraße, Ecke Neuer Markt öffentlich verlegt.
Im Stadtgeschichtlichen Museum wird ergänzend dazu eine Sonderausstellung mit weiterführenden Informationen zu den Schicksalen zu sehen sein. Die Eröffnung ist auf die Zeit nach dem Lockdown in den Juni verschoben.
Im Anschluss an die Eröffnung der Ausstellung findet dann ein Vortrag mit Reinhard Simon statt, der die Schicksale von Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Domjüch bei Neustrelitz in der Zeit des Nationalsozialismus recherchiert hat. Für sein Buch zum Thema erhielt Reinhard Simon 2019 den Annalise-Wagner-Preis.
Außerdem erscheint eine aktualisierte Broschüre mit umfassenden Informationen zu den Stolpersteinen und den Lebensdaten der Menschen für einen individuellen Rundgang.
Die Finanzierung der Stolpersteine, der Broschüre und der Veranstaltung erfolgt über das Bündnis „Partnerschaft für Demokratie“ der Stadt Waren (Müritz) in Kooperation der Europäischen Akademie Mecklenburg-Vorpommern e.V. mit dem Stadtgeschichtlichen Museum.