„Herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von Marc spielt mit Tieren“, startete Marc Gölkel vorerst locker in die Begrüßungsrunde, in der er die nächsten Stunden im Bärenwald Müritz und die damit verbundenen Risken offenlegte. „Der Bär ist ein großes Tier und potentiell gefährlich, Punkt“, so der Berliner Tierarzt, der bereits seit sechs Jahren das Areal von Vier Pfoten in Stuer am Plauer See betreut. Dementsprechend routiniert und sicher wirkte der Veterinär vom Leibniz-Institut Zoo- und Wildtierforschung (IZW) und machte auch deutlich: „Für die heutige Untersuchung und Behandlung werden wir die beiden Braunbären „Dushi“ und „Michal“ kurz und schmerzlos in Narkose legen.
Gesagt, getan – nach knapp zwei Stunden Vorbereitung hatte Marc Gölkel und sein Team alle Gerätschaften, darunter jede Menge Instrumente, eine mobile Inhalationsnarkose sowie ein kleines Röntgengerät, und die nötigen Medikamente jeweils am richtigen Platz positioniert. „So, jetzt alle zurück und Ruhe“, forderte der Tierarzt und nahm sich seine Narkosepistole. Das schien auch Braunbär „Dushi“ zu spüren und scharrte aufgeregt im Nachbargehege.
„Hierher wurde sie mit Hilfe von etwas Futter gelockt“, verriet Bärenwald-Tierpflegerin Bianca Wöhlke. Nur Bruchteile von Sekunden später ein gezielter Schuss durch das Stahlgitter. „Der sitzt“, zeigte sich Marc Gölkel zufrieden. Der Pfeil saß im Bereich der linken Schulter und wenige Augenblicke später wurde es bereits merklich ruhiger. Immer wieder blickte der Tierarzt auf die Uhr, denn Marc Gölkel würde als erster und vorerst einziger auf Tuchfühlung mit der schlafenden Braunbärin gehen. „Wer schießt, der prüft auch“, so der Berliner. Alles lief nach Plan und die Trägermannschaft konnte nachkommen. Auf einem Tuch wurde Dushi, die seit April 2019 im Bärenwald Müritz lebt und durch ihr dramatisches Vorleben in einem albanischen Zoo bereits ein Vorderbein verloren hat, auf die Waage gehievt. „91 Kilogramm, aber sie schaut sehr gut aus“, registrierte Tierarzt Marc Gölkel die ersten Daten im Protokoll. Noch einmal Muskelkraft und „Dushi“ lag auf dem OP-Tisch. Sauerstoffsättigung, Herzschlag, Atmung und Temperatur wurden von dem Team erfasst.
Alles im Normbereich. Auch die Körpergröße wurde mit 149,5 Zentimeter erfasst. „Wir wollen versuchen, eine Art BMI, also analog zum menschlichen Body-Mass-Index, erfassen. Das gibt es in dieser Form noch nicht“, erläuterte Tierarzt Gölkel. Doch das ist bei Braunbären gar nicht so einfach, denn hier müssten aufgrund der Winterruhe zwei Werte festgestellt werden. Aber die BMI-Ermittlung steckt noch in den Kinderschuhen und war am Mittwoch lediglich schmückendes Beiwerk. Vielmehr sollten die Zähne kontrolliert werden und bei „Dushi“ musste auch einer gezogen werden. Immer wieder zuckte die Nase des Braunbären, doch Marc Gölkel ließ sich davon nicht großartig beeindrucken. „Mit dem Zungentest können wir schnell schauen, ob die Narkose noch ausreicht und der Bär tief und fest schläft“, so der Tierarzt. Ein kurzer Zug an der Zunge und schließlich zufriedenes Nicken. Dennoch, immer wieder wurden die Vitalfunktionen durch den Arzt abgefragt, denn zu lange sollte die Behandlung und damit die Narkose nicht gehen. „Wir müssen und wollen das Tier schonen“, so der Veterinär. Aber Minute um Minute verstrich. Immer wieder musste das Tier neu platziert werden, um alle Behandlungen gut durchführen zu können. Für die geplante Zahn-OP musste der Schädel und das Gebiss geröntgt werden. Hierfür rückte Holger Noisternig und sein Team der Physia GmbH extra aus dem hessischen Neu-Isenburg an.
Zwei Bilder reichten Marc Gölkel, um sich an den mächtigen Kiefer zu wagen. Immer wieder wechselte er zwischen Spritzen, Skalpell und Tupfer, bis der Zahn endlich freigelegt war. „Es ist ein gutes und eingespieltes Team, dem wir beruhigt vertrauen können“, versicherte Petra Konermann vom Bärenwald Müritz. Dennoch war die Anspannung unter allen förmlich greifbar. Erst nach rund zwei Stunden konnte „Dushi“ wieder im Freigehege aufgeweckt werden. Noch etwas schläfrig, aber mit den besten Anzeichen, dass die ärztliche Behandlung gut überstanden ist, zog sich die Braunbärin zurück.
Eine kurze Verschnaufpause blieb dem Team, bis der zweite Patient „aufgerufen“ wurde. Auch bei Braunbär Michal stand eine routinemäßige, aber gründliche Untersuchung an. „Auch diesem Bären fehlt eine Vorderpfote und durch die einseitige Belastung kann es schnell zur Arthrose kommen“, erklärte Wildtierarzt Marc Gölkel. Michal bringt es auf stattliche 188,5 Zentimeter und wiegt 220 Kilogramm. Auch bei Braunbär Michal, der im Bärenwald Müritz mit Bärin Tapsi eine treue Gefährtin gefunden hat, verlief die Behandlung durch Marc Gölkel und seinem Team erfolgreich. In seinen Gelenken hat der Tierarzt Arthrose festgestellt, die nun weiter beobachtet werden soll. Nach einer kurzen Erholung im Freigehege freuen sich beide behandelten Braunbären mit den 13 weiteren Bewohnern auf neugierige Besucher.