Am Sonnabend hat Minister Dr. Till Backhaus an einem Gottesdienst in der Seemannskirche Prerow zum Gedenken an die Opfer und Schäden der Sturmflut im November 1872 teilgenommen. Darüber hinaus wird Minister Dr. Backhaus am Montag eine internationale wissenschaftliche Vortrags- und Diskussionsveranstaltung eröffnen, die sich den Folgen der Sturmflut und den zukünftigen Herausforderungen im Küstenschutz widmet.
In der Nacht vom 12. zum 13. November 1872 stieg der Wasserstand an der südwestlichen Ostseeküste auf den höchsten je dokumentierten Wert an. Dabei verloren insgesamt 271 Menschen ihr Leben, mehr als 15.000 Menschen wurden obdachlos. Katastrophale Überflutungen und Landverluste waren die Folge.
„Die Sturmflut von 1872 markiert einen Wendepunkt im systematischen, staatlich geförderten technischen Küstenschutz. Ziel ist es, mit technischem Küstenschutz und einem aktiven Hochwasserrisikomanagement im Ereignisfall den Verlust von Menschenleben und Sachwerten zu verhindern.
Der Küsten- und Hochwasserschutzschutz ist dabei eine Daueraufgabe, die nie abgeschlossen sein wird. Insbesondere der steigende Meeresspiegel infolge des Klimawandels zwingt uns hier, ständig Anpassungen vorzunehmen und technisch immer auf dem neuesten Stand zu sein. Diese Aufgabe lässt sich nur in Abstimmung mit den betroffenen Städten und Gemeinden und unter Einbindung der örtlich zuständigen StÄLU bewältigen“, sagte Minister Dr. Backhaus.
Diese Aufgabe lässt sich besser greifbar machen, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass von den ca. 2.000 Kilometern Küste in M-V 1.240 Kilometer als potenziell überflutungsgefährdet gelten. Ohne das Vorhandensein von Küstenschutzanlagen wäre im Falle einer Sturmflut eine Fläche von ca. 1.080 km2 überflutet. Diese Fläche ist in etwa so groß wie die Häfte des Saarlandes. Betroffenheiten ergeben sich laut Minister Backhaus auch durch den Rückgang der Steilküsten auf einer Länge von ca. 245 Kilometer. Fachleute haben im Zuge der Risikobewertung nach der EG- Hochwasserrisikomanagmentrichtlinie ermittelt, dass sich das Gesamt-Schadenpotential an der Küste auf mehrere Milliarden Euro beläuft. Die größten Gefährdungspotentiale liegen dabei in den Städten wie Rostock, Greifswald oder Wismar.
Das Land investiert deshalb rund 20 Millionen Euro pro Jahr in den Küstenschutz. 2020 waren es sogar 22,2 Millionen Euro. Seit 1990 wurden bereits mehr als 550 Mio. Euro in den Schutz der Außen-, Bodden- und Haffküsten investiert, um die Menschen und ihre Sachwerte bestmöglich vor den Naturgewalten zu schützen. Damit wurde grundsätzlich ein noch nie dagewesenes Schutzniveau erreicht.
„Durch den klimabedingt steigenden Meeresspiegel stehen wir allerdings vor großen Herausforderungen. Mit der Anpassung der Küstenschutzstrategie versucht das Land Mecklenburg-Vorpommern schon heute, auf mögliche Veränderungen zu reagieren und eine Grundlage für einen langfristigen Schutz der im Zusammenhang bebauten Ortslagen zu schaffen. Dabei muss jedem klar sein, dass nicht jeder Meter der Ostseeküste festgehalten werden kann. Die Strategie des Landes ist es, einen möglichst naturverträglichen Küstenschutz, d.h. Schutz vor Überflutung und Schutz vor Küstenrückgang, zu betreiben. Der Küstenbereich ist auch ein wertvoller Naturraum, den es zu erhalten gilt. Unzählige Arten leben hier, die zum Teil vom Aussterben bedroht sind und daher auf der Roten Liste stehen. Eine natürliche Küstendynamik ist dabei Grundlage für den Erhalt der Lebensräume.
Daher werden vom Land Mecklenburg-Vorpommern nur die im Zusammenhang bebauten Ortslagen und Küstenabschnitte, in denen Durchbrüche in die Bodden und Haffe drohen, mit technischen Bauwerken geschützt. In den anderen Küstenabschnitten soll die natürliche Küstendynamik – auch im Sinne der menschlichen Nutzungen an der Küste - erhalten bleiben. Die Küstenschutzstrategie des Landes wird derzeit an die neuen Informationen zum beschleunigten Meeresspiegelanstieg angepasst. Dazu werden im Rahmen des Kooperationsvorhabens „Ostseeküste 2100“ u.a. verschiedene Szenarien des Meeresspiegelanstiegs betrachtet und die Auswirkungen auf die Sedimenttransportprozesse abgeschätzt.
Der Gedenkgottesdienst in Prerow soll an die Ereignisse am 12. und 13. November 1872 erinnern, um das Bewusstsein für den Küstenschutz und das Hochwasserrisiko in der Gemeinde zu stärken. Es ist der Abschluss einer Veranstaltungsreihe der Gemeinde Prerow zur Sturmflut 1872.
In Prerow wurde nach der Sturmflut von 1872 der zur Ostsee offene Prerowstrom geschlossen. Er war einer der Gründe für die Überflutungen und die hohen Wasserstände. Doch das bedeutete das Ende für Fischerei und Bootsbau vor Ort. Seitdem gab es immer wieder Bestrebungen, einen Hafen an der Außenküste zu errichten. „Mit dem vom Land beauftragten Inselhafen, dessen Bau im August 2022 begann, erhält Prerow nun nach ca. 150 Jahren wieder einen Hafen, in dem auch Fischereifahrzeuge liegen und wirtschaften können“, freut sich Minister Dr. Backhaus, der sich in den vergangenen Jahren intensiv für die Errichtung eines Ersatzhafens für den Nothafen Darßer Ort eingesetzt hatte und seit 2015 auch für Planung und Bau des neuen Inselhafens zuständig ist.
Auch das Land führte im Jahr 2022 eine Veranstaltungsreihe zu den Folgen der Sturmflut sowie zu den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen im Küstenschutz durch. Bisher gab es Veranstaltungen in Prerow, Graal-Müritz, Koserow, Trent und Greifswald. Eine weitere Veranstaltung wird Ende November in Wismar stattfinden. Höhepunkt der Veranstaltungsreihe des Landes ist eine internationale Konferenz in der Aula der Universität Rostock am 14. November 2022, auf der Minister Dr. Backhaus ein Grußwort halten wird.