Keine Wartezeit im Wartezimmer
Auch heute noch ist der Beruf des Mediziners hoch angesehen. Seinen Nimbus als Traumjob hat er allerdings vielfach verloren. Kein Wunder: Sowohl das Studium als auch die Assistenzzeit am Krankenhaus und der anschließende Praxisalltag fördern nicht gerade die Work-Life-Balance. Unter diesem Aspekt werden Innovationen in der Medizinbranche sowie Möglichkeiten zur Stressreduktion auch für Behandler immer wichtiger.
Nach einem Vergleich der kassenärztlichen Bundesvereinigung behandeln niedergelassene Ärzte pro Tag 53 Patienten. Das allein macht die Arbeitsbelastung deutlich.
Um den oftmals hektischen Alltag in der Praxis zu erleichtern und das Zeitmanagement effizienter zu gestalten, gibt es mittlerweile praktische Tools wie den Online-Terminkalender. Die Funktionen der digitalen Praxisorganisation sorgen unter anderem dafür, dass das Wartezimmer in Echtzeit verwaltet und optimal ausgelastet wird. Ebenso lassen sich mit solchen Tools Anamnesebögen vor dem ersten Termin verschicken und Terminverschiebungen beim Patienten per SMS ankündigen.
Dauerstress und seine Folgen
Doch nicht nur volle Wartezimmer sind dafür verantwortlich, dass Ärzte – aber auch Angehörige medizinischer Berufe wie Physiotherapeuten – heute immensem Druck ausgesetzt sind. Kritische Situationen, die Schicksale einiger Patienten oder die permanent neuen Anforderungen im Gesundheitsmanagement sorgen ebenfalls für Stress. Vor allem aber gelingt es vielen Ärzten nicht, in ihrer Freizeit abzuschalten. Die Folgen können ebenso ein Burn-out sein wie Suchterkrankungen. Laut dem Ärzteblatt trinkt jeder vierte Arzt zu viel Alkohol. Auch Medikamentenabhängigkeit kann zum Problem werden. Das liegt auch daran, dass der Arzt besonders leicht an Beruhigungsmittel und Co gelangt. Hier führt der Bibelspruch „Arzt heile dich selbst“ oft genug in eine Sackgasse. Dazu kommt jedoch noch ein anderes Phänomen, wie die Berliner Oberberg-Kliniken herausgefunden haben: Betroffene Ärzte übernehmen die Diagnose für eigene Erkrankungen gern gleich selbst. Das ist wohl auch Grund dafür, dass nur wenige Mediziner selbst einen Hausarzt haben. Gerade bei Stress- und Suchtproblemen aber ist eine objektive Diagnostik wichtig.
Strategien sind gefragt
Unterm Strich müssen viele Ärzte also daran arbeiten, den täglichen Stresslevel zu senken und ihre Resilienz zu erhöhen. Dazu können organisatorische Änderungen im Praxisablauf gehören, aber auch Methoden der Stressbewältigung. Denn Stress manifestiert sich nicht nur seelisch, sondern auch körperlich: Da bei Stress der Körper dauerhaft in Alarmzustand versetzt ist, erhöht sich das Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt.
Neben sportlicher Betätigung zum „Dampf ablassen“ kann Yoga hilfreich sein, um vermehrt zur Ruhe zu kommen. Auch Therapieansätze wie Hypnose oder progressive Muskelentspannung sind bei Dauerstress ein gutes Mittel, um gegenzusteuern. Solche Hilfen können aber nur funktionieren, wenn ein besseres Zeitmanagement zur Verminderung der täglichen Hektik erfolgt. Hier sind automatisierte Praxisabläufe ebenso unverzichtbar wie eine tägliche Liste nach Dringlichkeit.
Auszeiten: die Stresskiller
Zu den Prioritäten, die man sich setzen sollte, gehört unbedingt auch, Zeitfenster für die Freizeit einzuplanen. Ganz gleich, ob ein Besuch im Museum oder ein Spaziergang an der frischen Luft – Körper und Seele profitieren davon. Das gilt erst recht für Urlaub. Hier sind es nicht etwa die Fernreisen zu exotischen Zielen, die den größten Erholungswert garantieren, sondern die kleinen Auszeiten wie eine Wanderung entlang der Müritz. Stresspsychologen führen dies darauf zurück, dass eine Fernreise mit vielen Vorbereitungen und einer langen Anreise verbunden sind, die man von den tatsächlichen Erholungstagen abziehen muss. Zudem neigt man bei exotischen Traumzielen ebenfalls zu einem vollgepackten Terminplan. Wer jedoch ein paar Tage Naherholung einplant, kann diese auch voll und ganz genießen.