ehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ich bin seit 14 Jahren Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern und damit der dienstälteste Innenminister Deutschlands“, so Innenminister Lorenz Caffier heute in einem Statement. Und damit kündigte er auch seinen Rücktritt an.
"In dieser Zeit durchlebten meine Mitarbeiter, mein Umfeld und ich viele Höhen und Tiefen. Ich kann mich noch gut an den G8-Gipfel in Heiligendamm zu Beginn meiner Amtszeit erinnern, den nicht wenige als meinen Schleudersitz angesehen hatten. Tatsächlich war es großartig zu sehen, wie professionell und organisiert eine der kleinsten Landespolizeien der Republik diesen extrem schwierigen Einsatz gemeistert hat.
Spätestens da war ich Feuer und Flamme für mein Ministerium und seine Mitarbeiterinenn und Mitarbeiter. In all den Jahren haben wir unzählige Gesetze und Verordnungen auf den Weg gebracht. Milliarden flossen in die Kommunen und in unglaublich viele Projekte, die oft auch das Ehrenamt unterstützen.
Die Folgen der Finanzkrise 2008/2009 überwanden wir gemeinsam. Das Elbehochwasser 2013 wehrten wir gemeinsam erfolgreich ab. Und auch die bis dato größte Herausforderung des Landes, die Flüchtlingskrise 2015, konnten wir ebenfalls sehr gut gemeinsam bewältigen.
Einen besonderen Schwerpunkt meiner Arbeit habe ich auf den Kampf gegen Extremismus und insbesondere auf den Kampf gegen den Rechtsextremismus gelegt. Schon bei meinem Amtsantritt 2006 war mir klar: Hier müssen wir was machen. Ich setzte mich für mehr Personal, bessere Ausstattung und mehr Befugnisse der Ermittler ein. Und voller Überzeugung trieb ich das NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht voran. Unsere Gesellschaft musste ein Zeichen gegen den rechten Sumpf setzen. Und ich bin überzeugt, dass dieser Kampf weitergehen muss. Mit allen Mitteln des Rechtstaats und der Zivilgesellschaft.
Mit jeder Schlacht, die wir gemeinsam schlugen, wurde das Band zwischen dem Innenministerium, seinen Mitarbeitern und mir immer stärker. Mit keiner Aufgabe je zuvor habe ich mich so sehr identifiziert wie mit dem Amt des Innenministers. Zur Wahrheit gehört aber auch: Dieses Amt ist alles andere als vergnügungssteuerpflichtig. Kritik, Vorwürfe und Unterstellungen gehören zur Aufgabenbeschreibung. Einer muss den Dreck aufkehren. Das habe ich gemacht. Beifall gab es dafür selten.
Natürlich habe ich mir ein dickes Fell angeeignet. So schnell ließ ich mich nicht aus der Ruhe bringen. Darauf konnten sich meine Mitarbeiter und mein Umfeld stets verlassen.
Aber auch ich habe Grenzen.
Die unsägliche Berichterstattung über mein Ferienhaus auf Usedom bleibt bis heute jeden Beweis schuldig, dass ich irgendetwas falsch gemacht habe. Jetzt werden schon mit offensichtlich viel krimineller Energie Unterlagen von mir, die dem Steuergeheimnis unterliegen, verbreitet. Das einzige Ziel ist: Schlagzeilen mit meinem Namen produzieren. Meine Familie litt und leidet ungemein unter diesen völlig haltlosen Vorwürfen und den Fotos von unserem Privatgrundstück. Schon vor zwei Jahren hatte ich das Gefühl, meine Familie mit einem Rückzug entlasten zu müssen.
Jetzt erreichen die Anwürfe jedoch eine ganz andere Dimension. Ich habe eine Waffe bei jemanden erworben, bei dem ich sie aus der heutigen Sicht nicht hätte erwerben dürfen. Aber: Nicht der Erwerb war ein Fehler, sondern mein Umgang damit. Dafür entschuldige ich mich.
Es verletzt mich jedoch zutiefst und ist für mich eine extrem große Belastung, dass in der Berichterstattung irgendeine Nähe zu rechten Kreisen suggeriert wird. Ich kann diesen Vorwurf nur in aller Schärfe zurückweisen. Er ist schlicht absurd. Das Mediengeschäft ist jedoch erbarmungslos und leider allzu oft undifferenziert. Die Schlagzeilen haben sich in die Köpfe der Menschen eingebrannt.
Ich muss erkennen, dass ich in dieser Situation nicht mehr die nötige Autorität besitze, um das Amt des Innenministers mit ganzer Kraft bis zum September 2021 ausüben zu können.
Ich trete daher als Minister für Inneres und Europa mit Ablauf des heutigen Tages zurück.
Ich tue dies auch, um meine Familie, mein Umfeld und meine Mitarbeiter zu schützen. Die letzten Tage waren für alle eine unerträgliche Belastung und ich kann es vor mir nicht verantworten, die Menschen, die sehr viel für mich geopfert haben, weiterhin dieser Belastung auszusetzen. Ich möchte darüber hinaus Schaden von der Regierung, von der Koalition und letztlich damit auch vom Land abwenden.
Ich habe angesichts der völlig enthemmten Berichterstattung in den letzten Tagen natürlich Kritik, aber auch unglaublich viel Zuspruch erhalten. Viele Menschen bestärkten mich weiterzumachen. Es tut mir leid, dass ich diesem Wunsch als Innenminister nicht mehr nachkommen kann.
Ich werde aber das Mandat, das mir die Bürger in meinem Wahlkreis gegeben haben, auch in Zukunft ernst nehmen und mich für die Belange vor Ort einsetzen.
Ich habe meiner Heimat, dem Land Mecklenburg-Vorpommern, unglaublich gerne gedient. Es war mir eine große Ehre, meinen Beitrag zum Wohl der Menschen und für die Entwicklung des Landes zu leisten. Ich mag mein Land, ich mag die Menschen hier, ich mag ihre Mentalität. Ich werde die vielen Gespräche und persönlichen Begegnungen sehr vermissen.
Ich danke den Menschen in unserem Land für ihr Vertrauen. Ich danke den Mitarbeitern im Innenministerium für die gute Zusammenarbeit. Ich danke meinem Umfeld für die unerschütterliche Unterstützung auch in den schlimmsten Zeiten.
Ich wünsche Ihnen allen nur das Beste und passen Sie auf sich auf", so Lorenz Caffier zu seinem Rücktritt. Ausschlaggeben war der Waffenkauf in Verbindung mit der rechtsextremen Prepper-Szene "Nordkreuz", die in den zurückliegenden Tagen für jede Menge Aufsehen sorgte.
Lorenz Caffier erwarb die Kurzwaffe im Januar 2018, die Eintragung in die Waffenbesitzkarte ist datiert auf den 4. Januar 2018. Lorenz Caffier ist seit 40 Jahren Jäger und darf somit auch Waffen führen. Als Jäger ist er berechtigt, drei Langwaffen und zwei Kurzwaffen für die Jagd zu besitzen. Jäger nutzen die Kurzwaffe für den Fangschuss bei angeschossenem Wild. 2017 entschied Caffier sich, seine Kurzwaffe vom Typ Walther PPK aus Altersgründen durch eine Kurzwaffe vom Typ Glock 19 zu ersetzen.
Die Kurzwaffe erwarb er bei der Firma von Frank T., die bis heute über eine Waffenhandelslizenz verfügt. Der Kauf war zu diesem Zeitpunkt eine Privatsache und ist daher im Innenministerium nicht dokumentiert. Dem Innenministerium, dem Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern (LKA), dem Landesamt für Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern (LfV), dem Innenstaatssekretär und dem Innenminister lagen zu diesem Zeitpunkt keine Erkenntnisse für rechtsextremistische Tendenzen des Verkäufers oder gar Anhaltspunkte für eine Mitgliedschaft in einer rechtsextremistischen Vereinigung bzw. strafbare Handlungen vor. Erst im Mai 2019 ergaben Ermittlungen des LKA Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen von T.
"Mit dem Wissen von 2019 hätte ich den Waffenkauf bei T. natürlich nicht getätigt", stellt Caffier klar. "Den Landesbehörden und mir lagen keine Hinweise zu möglichen rechtsextremistischen Bestrebungen vor. Deshalb war ich im Januar 2018 beim Kauf der Waffe arglos. Und deshalb fand der Special Forces Workshop 2018 statt, an dem auch Mitarbeiter der Bundesbehörden teilnahmen. Ich ärgere mich maßlos, dass ich die Waffe bei T. und nicht bei einem anderen lizensierten Waffenhändler erworben habe."
Caffier betonte selbstkritisch, dass er eine Erklärung zum Waffenkauf hätte abgeben müssen, als ihm im Mai 2019 die Ermittlungsergebnisse des LKA vorlagen. "Dies nicht getan zu haben, war ein Fehler, den ich bedauere", so Caffier. "Dennoch ist es blanker Unsinn und geradezu ehrverletzend, mir eine Nähe zum Nordkreuz-Umfeld oder anderen rechten Netzwerken andichten zu wollen. Ich finde es völlig inakzeptabel, dass diese Verbindung in zahlreichen Medien suggeriert wird, obwohl allen Beteiligten klar sein müsste, wie absurd das ist."
Hintergrund
Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern
Im August 2017 ist das LKA über ein Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts informiert worden, in dem es um den Verdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat ging. In der Folge fanden am 28. August 2017 Durchsuchungen des Generalbundesanwalts (GBA) und Bundeskriminalamtes (BKA) u. a. bei den Beschuldigten H. und J. sowie dem Zeugen G. statt. Zu dem Zeitpunkt spielte T. keine Rolle. Über Grundinformationen zum Sachverhalt hinaus, die zur Unterstützung des Einsatzes des BKA durch die Landespolizei erforderlich waren, lagen dem LKA zu diesem Zeitpunkt keine Details zu den Ermittlungen des GBA vor.
Auf mehrfache Anfrage beim BKA und GBA wurden dem LKA am 6. September 2017 Aktenbestandteile aus den Durchsuchungen übermittelt. Diese bezogen sich ausschließlich auf aufgefundene Materialsammlungen zu Personen und Organisationen, die von den Medien als "Todeslisten" oder "Feindeslisten" bezeichnet wurden. Aufgabe des LKA war es, diese Unterlagen auszuwerten, um eine Gefährdungsbewertung der in den zugesandten Materialsammlungen aufgeführten Personen vorzunehmen. Hinweise auf eine Beteiligung T. oder seiner Unternehmen ergaben sich daraus nicht.
Im Oktober und November 2017 übersandte das BKA Teile der Waffen und Munition, damit das LKA in eigener Zuständigkeit diese Asservate hinsichtlich der Verstöße gegen Strafrecht, Waffenrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht auswerten kann. Hinweise auf eine Beteiligung T. oder seiner Unternehmen ergaben sich daraus nicht.
Ferner wurden im Februar 2018 Teile der beim GBA geführten Ermittlungsakte (hinsichtlich der bei G. im Rahmen der Durchsuchung aufgefundenen vermutlich illegalen und unsachgemäß aufbewahrten Munition) an die Staatsanwaltschaft Schwerin übersandt. Im Ergebnis der Überprüfung leitete die Staatsanwaltschaft Schwerin im gleichen Monat ein Ermittlungsverfahren gegen G. unter anderem wegen des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Sprengstoffgesetz ein. Hinweise auf eine Beteiligung T. oder seiner Unternehmen ergaben sich daraus nicht.
Eine weitergehende Information des Innenministeriums oder seiner nachgeordneten Behörden zu vorliegenden Ermittlungsergebnissen wurde vom GBA unter Hinweis auf die laufenden Ermittlungen abgelehnt.
Im Laufe des Jahres 2018 wurden die Bundesbehörden mehrfach aufgefordert, der Staatsanwaltschaft Schwerin und dem LKA alle Ermittlungsunterlagen zuzusenden, damit in Mecklenburg-Vorpommern weitere Ermittlungen durchgeführt werden können. Dazu wurde unter anderem der GBA direkt angeschrieben. Ferner wurden mehrere Telefonate mit dem BKA und auch mit dem BKA-Chef hierzu geführt. Das Drängen der Landesbehörden führte schließlich dazu, dass das BKA im Januar und Februar 2019 Auswerteberichte, Asservate und Erkenntnisse übermittelte. Dazu gehörten auch gesicherte Chatverläufe, die einen erhebliches Datenvolumen haben. Das LKA bildete umgehend eine Sonderermittlungsgruppe, die die Unterlagen und Chats sukzessive auswertet.
Im Mai 2019 lagen aufgrund der Auswertung erstmals Hinweise unter anderem auch zu T. vor. Über die gesamten Ermittlungsergebnisse und die bevorstehenden Durchsuchungen wurde der Innenminister umgehend informiert. Der Innenminister traf den Entschluss, die Geschäftsbeziehung der Landespolizei zu T., der Firma Baltic Shooters und dem Schießplatz Großer Bockhorst Güstrow schnellstmöglich zu beenden. Um die bevorstehenden Durchsuchungen nicht zu gefährden, mussten die erforderlichen Kündigungen bestehender Verträge zunächst zurückgestellt werden.
Im Juni 2019 wurden in dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Schwerin und des LKA mehrere Objekte durchsucht, u. a. auch bei T. Die Zusammenarbeit der Landespolizei mit Baltic Shooters wurde umgehend beendet, die Teilnahme am Special Forces Workshop 2019 kurzfristig abgesagt. Der Innenminister informierte über den gesamten Sachverhalt Öffentlichkeit und Innenausschuss. Er kündigte das Einsetzen der SEK-Kommission an.
Landesamt für Verfassungsschutz
Die Bundesbehörden nahmen im Juli 2017 die Zeugenaussage eines Hinweisgebers zu "Prepper"-Aktivitäten auf, in der T. erwähnt wurde. Eine Information über die Zeugenaussage erging im Juli 2017 an das LfV. Das BfV hatte jedoch offensichtlich keine tatsächlichen Anhaltspunkte zu rechtsextremistische Bestrebungen von T. In der Folge bemühte sich das LfV- wie das LKA auch - frühzeitig um weitere Erkenntnisse und Unterlagen aus den Durchsuchungen von GBA und BKA im August 2017. Erst auf mehrfaches, auch schriftliches Drängen wurden vom BfV mit Datum vom 14. März 2018 dem LfV Unterlagen zugeleitet. Das BfV hatte diese im Dezember 2017 auf Ersuchen des LfV beim BKA angefordert. Darauf stellt auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage 19/17340 aus dem Februar 2020 ab. Aus den Unterlagen konnten keine rechtsextremistischen Erkenntnisse in Bezug auf T. abgeleitet werden. Auch zu diesem Zeitpunkt lagen dem BfV keine tatsächlichen Anhaltspunkte zu rechtsextremistischer Bestrebungen von T. vor. Die Unterlagen wurden vom BfV mit dem Hinweis übersandt, dass sie dem Weiterleitungsvorbehalt des GBA unterliegen. Das LfV war daher nicht berechtigt, die Unterlagen an das LKA weiterzuleiten oder auch nur das LKA darüber zu informieren, dass diese Unterlagen dem LfV vorliegen.
Mit Schreiben vom 4. Juli 2019 teilte das BfV schließlich mit, dass auch nach einer Befragung von T. weiterhin keine tatsächlichen Anhaltspunkte zu rechtsextremistischer Bestrebungen festgestellt wurden. Davon unabhängig kam das LKA im Rahmen der eigenen Auswertung der im Januar und Februar 2019 durch das BKA übergebenen Akten im Mai 2019 zu der Einschätzung, dass es Anhaltspunkte für rechtsextremistische Äußerungen von T. gibt.
Special Forces Workshop 2018
Den Landesbehörden lagen bis zum Mai 2019 keine Hinweise zu rechtsextremistischen Bestrebungen von T. vor. Vor diesem Hintergrund wurde auch der Special Forces Workshop 2018 planmäßig durchgeführt. Außerdem wurde auch das Schießtraining von Einheiten der Landespolizei auf dem Schießplatz der Firma Baltic Shooters und die Zusammenarbeit mit T. als Schießausbilder ebenso vertragsgemäß fortgeführt, wie die Unterstützung des Special Forces Workshop 2018. Neben Polizeieinheiten aus zwölf Bundesländern und dem Ausland nahmen auch Polizisten des BKA und der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit plus der Bundespolizei teil, also Mitarbeiter der Bundesbehörde, die mit den Ermittlungen im Nordkreuz-Verfahren beauftragt ist. Dazu hat das Innenministerium umfassend in der Antwort auf die Kleine Anfrage 7/4940 aus dem Juni 2020 Stellung genommen.
Das zeigt nachdrücklich, dass auch den Bundesbehörden rechtsextremistischen Bestrebungen von T. Mitte 2018 nicht bekannt gewesen sein dürften. Erst die akribische Ermittlungsarbeit des LKA und der Staatsanwaltschaft Schwerin mit der Auswertung unzähliger Chats und Asservate förderte die entsprechenden Erkenntnisse zutage.