LAGUS-Statistik wirft viele Fragen auf
„Rostock ist frei von Corona-Fällen“, damit hat Claus Ruhe Madsen in dieser Woche für einen Hoffnungsschimmer bei vielen Einwohner von Mecklenburg-Vorpommern gesorgt. Auch weit über die mecklenburgischen Landesgrenzen sorgte diese Aussage des Rostocker Oberbürgermeisters für Hellhörigkeit, denn damit wäre die Hansestadt auch die erste deutsche Großstadt ohne Covid-19-Erkrankte. Im Gesundheitsministerium und beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGUS) von Mecklenburg-Vorpommern zeigt man sich hingegen empört und versucht, den Rostocker Status in Frage zu stellen. Wir haben mit allen drei Parteien gesprochen und festgestellt, lediglich ein Gesprächspartner blieb sachlich und zeigte sich auskunftsbereit.
In enger Zusammenarbeit mit dem städtischen Gesundheitsamt hielt Rostocks Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen sich zu den Coronafällen der Hansestadt auf dem Laufenden und steuerte so die Maßnahmen. Am Mittwochabend dann schließlich die Info, dass der letzte ab Covid-19 erkrankte Rostocker die verordnete Quarantäne verlassen konnte. Insgesamt 75 Fälle hatte das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGUS) Mecklenburg-Vorpommern in Rostock verzeichnet. Eine Dokumentation der geheilten Patienten erfolgt beim LAGUS nicht. In Rostock hingegen ging man von Beginn an offensiv mit Corona um. Nachdem ein Fall bei einem Schüler bekannt wurde, ließ Oberbürgermeister Madsen Schulen und Kitas schließen. Auch die städtische Verwaltung wurde auf Sparflamme runtergefahren. Dagegen wurde das Gesundheitsamt mit Mitarbeitern aufgestockt. „Entgegen der Meinung des Robert-Koch-Instituts haben wir außerdem Menschen getestet, die keine Symptome aufwiesen“, so Claus Ruhe Madsen. Hierbei unterstützte die Rostocker Firma Centogene und konnte eine Pflegerin ohne Symptome auf Covid-19 positiv nachweisen und so rausfiltern. „Vermutlich haben wir dadurch einen größeren Ausbruch bei älteren Menschen verhindert“, ist sich der OB sehr sicher. Auch in Rostock gab es massive Einschränkungen, aber auch Verständnis. Abgesagte Veranstaltungen, Konzerte und ruhende Gastronomie und verwaister Tourismus. "Es geht darum, den Menschen eine Perspektive aufzuzeigen“, steuert Bürgermeister Madsen auf die Zukunft zu und geht einen weiteren Schritt, der vom Robert-Koch-Institut vorerst untersagt und jetzt nicht erwünscht ist. Ab dem 01. Mai 2020 werden Verstorbene, die einer Covid-19-Erkrankung zugeordnet werden, zur Klärung der Todesursache obduziert. „In Mecklenburg-Vorpommern gab es bislang 16 Sterbefälle in Verbindung mit dem Corona-Virus“, hieß es am Freitag aus dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGUS) Mecklenburg-Vorpommern. Ob diese Todesfälle wirklich aufgrund von COVID-19 eintraten, wurde nicht genau bestimmt. Lediglich eine Leichenschau und der Nachweis auf COVID-19 ließen diesen Schluss und damit die Statistik zu. Laut Uni Rostock ist die normale Leichenschau dafür nicht ausreichend und zu 60 Prozent fehlerhaft.
Mit Nachfrage beim Gesundheitsministerium MV verwies man auf die aktuelle Statistik des LAGUS und in der eben mit Stand vom 24.04.2020 16:00 Uhr 16 Corona-Tote und insgesamt 665 COVID19-Erkrankten verzeichnet wurden. Auf diese Statistik verwies auch Gunnar Bauer vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern. Auf die Anfrage, wie viele Erkrankte es denn nun derzeit gibt, erhielten wir lediglich die Antwort: „Das steht in der Statistik des LAGUS.“ Der Hinweis, dass diese Zahlen nicht wirklich stimmen können, denn Rostock wirbt mit null Corona-Fällen und in der Statistik tauchen 75 auf, ließ den Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zwar stutzig werden, aber die realen Zahlen konnte man hier auch nicht präsentieren.
Im LAGuS MV reagierte Anja Neutzling auf unsere Nachfrage sehr ungehalten. Per Mail wurde uns auf die Anfrage der aktuellen Erkrankten lediglich mitgeteilt: „Information liegt im LAGuS nicht vor, eventuell sind die Landkreise und kreisfreien Städte direkt auskunftsfähig.“ Weil so unsere Anfrage nicht beantwortet wurde, fragten wir telefonisch nach und wurden schon beim ersten Satz abgeschmettert. Zudem unterstellte LAGuS-Mitarbeiterin Anja Neutzling der Rostocker Verwaltung die Verbreitung von Falschaussagen. „Ich glaube nicht, dass der Bürgermeister sagen kann, dass Rostock ohne Corona-Fälle ist.“ Auf die Frage, ob man denn die geheilten und verstorbenen Patienten von den gemeldeten Corona-Fällen abziehen kann, wurden wir erneut plump abgefertigt. „Die geheilten schätzen wir nur auf Basis eines Schemas des Robert Koch-Instituts“, so Anja Neutzling vom LAGuS MV. „Statistik und schätzen? Das passt doch überhaupt nicht zusammen“, lockten wir die gute LAGuS-Mitarbeiterin völlig aus der Reserve und pflückten ihre Statistik zur „Corona-positiv-Meldungen für Mecklenburg-Vorpommern“ auseinander. Hier wird stupide ein Fall nach dem anderen aufsummiert und den Lesern suggeriert, dass die Coronafälle bereits auf 665 in MV gestiegen sind. „Aber es werden 92 Personen im Krankenhaus behandelt“, fauchte die LAGuS-Statistikerin. „Nein, in ihrer Statistik steht „mussten/müssen“. Also auch hier eine Summe, die seit dem 16. März 2020 die Menschen in Angst und Panik versetzt“, mussten wir die gute Frau auf den Boden der Tatsachen zurückholen. „Das sind alles kumulative Zahlen“, versuchte die junge Frau zu kontern. „Steht aber nicht in ihrer Statistik“, war unser letzter Satz bevor das Gespräch ein abruptes Ende nahm.
Nun gut, einmal Luft geholt und in Rostock beim Büro des Bürgermeisters angerufen. Schließlich sollen alle zu Wort kommen. Gut eine halbe Stunde ein Besetztzeichen, bevor Ulrich Kunze von der Presse- und Informationsstelle selbständig zurückrief. „Entschuldigen sie, wir haben wirklich viele Anfragen“, rechtfertigte sich der Pressesprecher ruhig und besonnen. „Keine Entschuldigung für ihre Arbeit und vielen Dank für den Rückruf“, leiteten wir ein und brachten unser Anliegen vor. Und siehe da, auch am Freitagnachmittag, also weit nach 13 Uhr, zeigte der Mann gegenüber Verständnis für unser Anliegen, dass er an diesem Tag sicher schon hundert Mal erläuterte. „Wir sind sehr stolz, auf die Zahl Null, die wir auch mit ruhigem Gewissen vertreten können“, erklärte Ulrich Kunze, sagte aber auch, „wir hoffen natürlich, dass wir das so halten können, aber können natürlich keine feste Prognose geben. Was sie aber geben wollen ist Hoffnung auf ein normales Leben, das die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern verdient haben. Zwar will man nach der Vollbremsung nicht gleich wieder Vollgas geben, „aber wir müssen auch mal die Bremsen lockern“. „Wir werden weiter unseren Kurs halten und eng mit unserem Gesundheitsamt zusammenarbeiten. Wenn es nötig ist, werden wir auch gegensteuern, aber auch öffentlich damit umgehen“, so Ulrich Kunze.
An dieser Stelle möchten wir uns bei der Rostocker Pressestelle für das nette und kompetente Gespräch bedanken. Beim Gesundheitsministerium und beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGUS) von Mecklenburg-Vorpommern haben wir mit unserer Anfrage scheinbar in einem Wespennest gestochert. Hier änderte man umgehend die für die Öffentlichkeit ausgegebene Statistik…