Mexikaner sammelt in Malchow Erfahrungen
Andrés Huacash Vázquez zu Gast bei Hebamme Christiane Ulrich
Der 32-jährige Andrés Huacash Vázquez verbringt in diesem Jahr zum ersten Mal eine längere Zeit fern seiner Heimat, dem Ort Zitim nahe der Stadt San Cristóbal in Südmexiko. Er ist zu Gast bei der Malchower Hebamme Christiane Ulrich, die regelmäßig für mehrere Wochen in einer Klinik für Frauen in Zitim mitarbeitet und gut mit Andrés´ vielköpfiger Familie bekannt ist. Wenn er am 30. September wieder nach Hause zurückkehrt, wird der junge Mexikaner vielfältige Kenntnisse über die Landwirtschaft in der Region im Gepäck haben. In seiner Heimat möchte er gern bei Projekten zu nachhaltigem Ackerbau mitarbeiten. Fragt man Andrés Huacash Vázquez danach, was er von Deutschland besonders in Erinnerung behalten wird, überlegt er zunächst einmal und lächelt dann. „Im Vergleich zu Mexiko ist hier alles sehr sauber und gut organisiert. Es liegt viel weniger Müll herum. Zumindest in und um Malchow kann man auch nachts zu Fuß oder mit dem Auto unterwegs sein, ohne Angst haben zu müssen, überfallen zu werden. Und dann natürlich das Wasser!“ zählt er auf.
Mit dem Wasser meint er nicht nur die klaren Seen, in denen er, der bisher vor allem in Flüssen gebadet hat, richtig schwimmen lernte. „Ich fand es auch beeindruckend, dass man hier ohne Probleme einfach Wasser aus dem Hahn trinken kann.“ Die deutsche Bürokratie empfand Andrés wenig überraschend allerdings als eher abschreckend. Der 32-jährige Mexikaner kann seine Erfahrungen in Deutschland noch bis zum 30. September erweitern. Dann fliegt er zurück nach Hause. Andrés wuchs in dem Ort Zitim nahe San Cristóbal in Südmexiko auf und lebte dort, bis er zum Studium in diese rund vierzig Kilometer entfernte Stadt zog. Sein Lebensmittelpunkt ist aber nach wie vor Zitim. Dort wohnt ein großer Teil seiner vielköpfigen Familie. Andrés ist der drittjüngste von neun Geschwistern, die zwischen 48 und 26 Jahren alt sind. Die ältesten haben selbst schon lange Kinder. Bis zum frühen Erwachsenenalter lebte er mit seinen Eltern und Geschwistern in einem Haus zusammen. „Das ist hier oft so – sogar, wenn man selber schon Mutter oder Vater ist.“ Seine beiden jüngsten Schwestern wohnen bis jetzt beim Vater. Die Mutter ist vor drei Jahren gestorben. Andrés, der Single ist, hat vor einiger Zeit ein Zimmer in dem Komplex der Klinik für Frauen in Zitim bezogen, einige hundert Meter von seinem Elternhaus entfernt. Gekocht wird in einer Gemeinschaftsküche. Um für vier Jahre einen Studiengang absolvieren zu können, der übersetzt „Nachhaltige Entwicklung“ heißt, entschied sich der junge Mann, in die Nähe der Hochschule nach San Cristóbal zu ziehen.
„Es war einfach billiger und bequemer, vor Ort zu wohnen“, sagt er. Im Studium lernte er vieles über den Schutz der Umwelt und die Gefahren, denen das ausgesetzt ist, was uns umgibt. „Es ging aber auch darum, Wissen zu retten, das unsere Großeltern noch hatten, bevor die industrielle Bewirtschaftung des Landes sich durchsetzte. Wir lernten zum Beispiel, wie man es vermeidet, Chemie beim Ackerbau einzusetzen, und stattdessen mit alternativen Methoden arbeitet, unter anderem der Permakultur.“ Die Kurse hat Andrés abgeschlossen. Nach seiner Rückkehr wird er noch eine Prüfung ablegen, um den eigentlichen akademischen Titel zu erlangen. In der Klinik in Zitim, die sich vor allem um das Wohl indigener Frauen kümmert, lernte Andrés Christiane Ulrich kennen. Die Hebamme aus Malchow reist regelmäßig dorthin und unterstützt die Arbeit vor Ort. Andrés´ Schwägerin Luisa ist dabei ihre rechte Hand. „Christiane hat mich eingeladen, mit ihr für eine Weile nach Deutschland zu kommen. Ich war völlig überwältigt von dem Angebot und habe natürlich zugesagt.“ Die Reise war ein großer Schritt für den jungen Mexikaner, der bisher seine Heimatregion nur selten verlassen hatte. Er spricht zudem nur Spanisch und die indigene Sprache Tsotsil, so dass er auf jemanden angewiesen ist, der für ihm dolmetscht. Doch Andrés wagte es und lebt nun seit dem 9. Juli bei Christiane Ulrich in Malchow. In seiner Zeit hier hat er gemeinsam mit seiner Gastgeberin Malchow und Umgebung gut kennen gelernt. Unter anderem haben die beiden verschiedene Höfe besucht, wo unterschiedliche Arten von Landwirtschaft betrieben werden. Sehenswürdigkeiten wie das Wisentgehege in Damerow und die Seen und Naturparks standen natürlich ebenfalls auf dem Plan.
Andrés hat auch Reisen größerer Reichweite unternommen: war in Berlin und hat dort die mexikanische „community“ kennen gelernt, besuchte einen Freund im Baskenland und zusammen mit Christiane Ulrich Bekannte dieser in Bayern. Nach seiner Rückkehr wird der 32-jährige wieder in das dörfliche Leben eintauchen, das er kennt: jäten, säen und ernten auf der „milpa“, dem Feld, wo Mais, Bohnen und Zucchini angebaut werden, sich um Tiere wie Hühner, Ziegen oder Schafe kümmern. Wenn er dann endgültig sein Studium abgeschlossen hat, möchte er das Gelernte gerne vor Ort anwenden. Andrés weiß, dass es schwierig sein wird, dafür eine Stelle mit festem Gehalt zu finden. Es wird wohl eher auf eine Art Projektarbeit hinauslaufen, bei der er zum Beispiel versucht, die Permakultur vor Ort zu etablieren. Eine Alternative – wenn das nicht funktioniert – könnte sein, einen Job bei einer Organisation zu suchen, die sich mit solchen Inhalten befasst. Das würde aber bedeuten, dass er wahrscheinlich eine Weile entfernt von Zitim leben müsste. „Das wäre schade, denn eigentlich träume ich davon, in Zitim ein Haus zu bauen. Ich habe auch als Zimmermann gearbeitet und könnte meine Fertigkeiten aus diesem Beruf dafür nutzen.“