Lehmmuseum Gnevsdorf bei Plau am See
Feldsteinscheune und historisches Museum bei Plau am See
In Gnevsdorf südlich von Plau am See führt ein ehrenamtliches Team Deutschlands einziges Lehmmuseum. Hier können Besucher den faszinierenden Stoff Lehm in all seinen Facetten kennen lernen: als Bodenschatz und Kulturgut, als Baumaterial für Mensch und Tier. Das 1999 gegründete Museum, das in einer alten Feldsteinscheune am Eingang des Orts untergebracht ist, feiert in diesem Jahr seinen fünfundzwanzigsten Geburtstag. Wenn man sich Gnevsdorf von Ganzlin aus nähert, erhebt sich rechter Hand ein Gebäude, das in seiner Machart typisch ist für die Region: die alte Seemann-Scheune, ein Feldsteinbau mit Reetdach, der 1867 von der Familie Seemann errichtet wurde. Er bildete einst mit einer weiteren Scheune und dem Hauptgebäude einen Dreiseitenhof.
„Wie alte Fotos und Dokumente zeigen, hielt man im unteren Teil der Scheune Schafe, Ziegen und Kühe. Oben waren die Getreidevorräte untergebracht“, erzählt Uta Herz. Die Bauingenieurin leitet die Europäische Bildungsstätte für Lehmbau im zwei Kilometer entfernten Wangelin, die eng mit dem Lehmmuseum zusammenarbeitet und seit 2021 sein Träger ist. Uta Herz hat sich eingehend mit der Geschichte der Feldsteinscheune beschäftigt. Daher weiß sie: Nach langer Vernachlässigung waren die Gebäude des Dreiseitenhofes spätestens zur Wendezeit verfallen und kaum noch zu retten. „Die Gemeinde hat den Seemanns die Feldsteinscheune abgekauft. Der Verein sanierte sie und baute sie zum Museum aus.“ Uta Herz bezieht sich dabei auf den Verein zur Förderung ökologisch-ökonomischer Lebensverhältnisse westliches des Plauer Sees, kurz FAL e. V., der 1989 entstanden war. Mit Mitteln aus dem europäischen LEADER-Programm und mit der tatkräftigen Unterstützung durch ABM-Kräfte setzte er von 1996 bis 1999 die Scheune wieder instand. Im Juli 1999 öffnete das Museum darin seine Pforten. Seitdem sind rund fünfundzwanzig Jahre vergangen, so dass im Sommer 2024 ein bedeutender Geburtstag ansteht.
„Buddhistische Malerei auf Lehmwänden im Himalaya“
Heute beherbergt das Haus, das auf einer Fläche von rund 360 Quadratmetern steht, im Erdgeschoss eine Dauerausstellung über das einzigartige und vielfältig nutzbare Material Lehm. Als Bodenschatz wurde und wird er in der Region gefördert, als Baustoff dient er Mensch und Tier – dem Menschen beispielsweise als Stoff für Ziegel, dem Tier als Bindematerial für Nester. Verschiedene kulturelle Facetten des Lehms werden auch in den Sonderausstellungen unterm Dach sichtbar. Diese wechseln in der Regel jährlich. Anfang Mai löst so „Buddhistische Malerei auf Lehmwänden im Himalaya“ zur Arbeit der französischen Restauratorin Anca Nicolaescu eine Exposition zu Lehmputztechniken in Japan ab. „Das Lehmmuseum ist das einzige seiner Art in Deutschland und international vernetzt, wie man sieht“, sagt Uta Herz. Ein großer Teil der Aussteller findet seinen Weg ins Museum über die Kontakte des Bildungszentrums. „Zu mehreren dieser Pioniere des Lehmbaus haben wir unsere eigene Schriftenreihe herausgegeben“, fügt die Ingenieurin hinzu. Da die historische Feldsteinscheune über keine Heizung verfügt, öffnet das Lehmmuseum regulär nur zwischen Mai und Anfang Oktober. Vor der Saison bereiten die Mitarbeiter und die Mitglieder des Förderkreises, die alle ehrenamtlich tätig sind, das Haus bei einem Arbeitseinsatz auf die Öffnungszeit vor.
Außerhalb der Saison können einzelne Kursteilnehmer des Bildungszentrums auf Wunsch darin Exponate zu bestimmten Bauweisen anschauen. Das Zentrum bietet unter anderem Lehrgänge zu Lehmbau, Lehmputz, Strohbau, Ofenbau oder der Arbeit mit Kalk an. Im Museum selbst können Interessierte beispielsweise verschiedene Aktivitäten rund um die jährliche Sonderausstellung, eine Veranstaltung zum Museumstag oder das monatliche Schaubacken im Lehmbackofen auf dem Gelände erleben. Für den normalen Besuch hat das Haus immer donnerstags bis sonntags an den Nachmittagen geöffnet. Mehr ist mit dem ehrenamtlichen Team zeitlich nicht zu leisten. Zum Förderkreis, aus dem es sich rekrutiert, gehören rund fünfzig Personen. „Für all die unterschiedlichen Aufgaben, die wir erledigen müssen, bräuchten wir eigentlich mehr Leute“, meint Uta Herz. Um den Einlass kümmert sich vor allem Marita Kiehnscherf. Auch sie studierte einst Bauingenieurwesen und hat sich mit viel Fleiß in alles eingelesen, was den Lehm angeht. „Marita ist die Seele unseres Museums. Sie hatte auch die Idee für den Backofen auf dem Gelände“, lobt Uta Herz. Was alle verbindet, die sich für das Museum engagieren, ist ihre Faszination für den Stoff Lehm, sein Potential und die Geschichte seiner Nutzung. „Anders als heute, wo das Bauen damit sehr kostspielig geworden ist, ermutigte man früher nach Krisen die Menschen, Lehm als kostengünstiges Material zu verbauen. Es gab ihn nahezu überall. Denn fast alle Dörfer in der Region hatten ihre eigenen Lehmbaugruben“, berichtet Uta Herz.
Daher entstand auch in den frühen Jahren der DDR die Lehmbauschule in Güstrow. Ein großer Teil der hiesigen Neubauernhäuser wurde mit Lehm konstruiert. Die sowjetische Militärverwaltung initiierte nach dem Ende des Krieges ein Programm, in dessen Rahmen die Menschen Material erhielten, um sich sogenannte „Stampflehmhäuser“ zu errichten. Die Stampflehmmethode ist eine alte Technik, bei der man Lehm zwischen Schalbretter schichtenweise einbringt und feststampft. Danach kann die so entstandene Wand ausgeschalt werden und ist tragfähig. „Lehm ist ein Gemisch aus Sand, Ton und Kies. Das Verhältnis der drei Komponenten zueinander ist aber von Ort zu Ort verschieden. Die Bewohner der jeweiligen Ortschaften mit ihren Lehmgruben kannten die Beschaffenheit ihres lokalen Materials genau und wussten, für welche Bauverfahren er geeignet war und welche Stoffe sie gegebenenfalls hinzufügen mussten“, kommentiert Uta Herz, die mit ihrem Team dieses ehrwürdige und nützliche Wissen ihren Zeitgenossen im Bildungszentrum und im Lehmmuseum Gnevsdorf vermitteln möchte.