Sich inmitten einer größeren Menge von Exemplaren der eigenen Spezies aufzuhalten, lässt einen sich sicher fühlen. Das trifft auf viele Menschen zu – und auch auf Tiere, wie zum Beispiel Phalacrocorax carbo, den Kormoran. Der schwarze Vogel mit dem großen Schnabel und der Angewohnheit, nach dem Tauchgang erst einmal die Flügel auszubreiten und sich zu schütteln, war daher im Sommer und Herbst auch zu Tausenden um den Warnker See im Müritz-Nationalpark herum anzutreffen. Der Kot der Vögel, die sich vor allem von Fisch ernähren, schien den Erlen, auf denen die Tiere saßen, nicht gut zu bekommen: Sie hatten eine silbrige Farbe angenommen, die von weitem ungesund aussah. Sven Rannow, Dezernent für Grundlagen und Planung in der Verwaltung des Müritz-Nationalparks, gibt jedoch Entwarnung: „Man kann darauf vertrauen, dass sich die Natur regeneriert.“
Der knapp 47 Hektar große Warnker See, der im Müritz-Nationalpark zwischen dem Teufelsbruch und dem Müritzhof liegt, ist wie der in der Nähe liegende größere Rederangsee ein typischer Vertreter der Gewässer in diesem Teil Mecklenburg-Vorpommerns: Er verfügt über eine Durchschnittstiefe um die zwei Meter und nur eine Wasserschicht und wird vom Grundwasser gespeist. „Nach der letzten Eiszeit war an der Stelle eine flache Senke im Sander, die sich dann mit Wasser gefüllt hat“, erklärt Dr. Sven Rannow. Die entsprechende Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie ordnet den See als Klarwassersee ein, der früher eine sehr gute Wasserqualität hatte und wo man einen Meter achtzig tief hineinschauen konnte. „Dort wachsen sogar einige Armleuchteralgen, die Anzeiger für gute Wasserqualität sind.“ Bis 2005 wurde der Warnker See bewirtschaftet: Man fischte dort Hechte, Zander, Aale oder Bleie. Nach 2005 überließ man den See vollständig dem Wirken der Natur. Fische gibt es dort immer noch – eine Zählung läuft gerade. Auch der Fischotter lebt am Warnker See. Enten haben ihn als Rastgewässer und Ort für die Mauser ausgewählt, weshalb die Wasserqualität nicht mehr ganz so gut ist wie ehedem. Natürlich gibt es am See auch viele verschiedene Arten von Insekten – und im Sommer und Herbst die Kormorane. Sie sitzen dann zu Tausenden auf den Bäumen des sogenannten Galeriewalds aus Erlen und einigen Buchen rund um den See.
Dass die schwarzen Vögel in dieser Zeit in großen Mengen rund um den Warnker See zu finden sind, heißt nicht, dass sie dort brüten. Das tun sie woanders, außerdem ist die Brutzeit dann schon vorbei. „Sie verbringen die Nacht in Kolonien in den Bäumen am Ufer. Durch ihre große Zahl fühlen sie sich sicher“, erläutert Sven Rannow. Eine Zählung vom September 2022 ergab damals knapp 4200 Tiere. Dieses Jahr könnte die Zahl ähnlich sein. Tagsüber schwärmen die Vögel zu den zahlreichen anderen Gewässern in der Nähe aus und suchen dort nach Nahrung. Davon finden sie in der Regel im Nationalpark genug. „Diskussionen darum, dass der Kormoran fischt, gab und gibt es dann, wenn Fischer und Angler dadurch ihre Interessen gefährdet sehen. Das ist aber hier nicht der Fall“, so Sven Rannow.
Was allerdings durch den Schnabel in den Körper des Kormorans wandert, verlässt ihn auch wieder – in Form von Kot. Dieser verätzt die Blätter der Erlen, so dass sie danach silbrig aussehen. Schadet das den Bäumen? Es sei schon möglich, dass eine geringe Zahl davon absterbe oder einzelnen Ästen dieses Schicksal widerfahre, aber die Natur könne das kompensieren und regeneriere sich wieder. „Wir vertrauen diesen Kräften und greifen daher auch nicht in die natürlichen Abläufe ein“, sagt Rannow. Spätestens beim Austreiben im nächsten Frühjahr haben sich seiner Erfahrung nach die meisten Bäume erholt. Das Leben-Lassen bezieht sich auch auf die Vögel. „Bei uns darf der Kormoran, der hier seinen natürlichen Lebensraum hat, einfach Kormoran sein.“ Das Auftreten der imposanten Vögel in so großer Zahl am Warnker See bewege viele Wanderer und Spaziergänger, berichtet der Dezernent. „Sie sind begeistert, die Tiere dort zu sehen, und fotografieren sie sehr gerne.“ Dieses Schauspiel ist für dieses Jahr vorbei. Denn die Kormorane haben sich über Land verstreut, um dort den Winter zu verbringen. Doch sicher kehren sie im nächsten Jahr wieder.