Kirche in Barkow
„Ein wunderbarer Segensort“ im Landkreis Ludwigslust-Parchim
Die Kirche in Barkow blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Diese spiegelt sich auch in ihrem Äußeren wider. Der Sakralbau verbindet Elemente dreier Stilepochen: das fast siebenhundert Jahre alte Kirchenschiff mit seinen Feldsteinmauern, den Fachwerkturm aus dem späten 18. Jahrhundert und ihre stählerne Verbindung, die das 21. Jahrhundert symbolisiert. Dass es die Stahlkonstruktion gibt, wäre allerdings ohne den Einsturz des Kirchenschiffsdaches im Jahr 2004 nicht möglich gewesen. Dieses Unglück hatte so für die Kirche Barkow auch etwas Gutes. Vor zwanzig Jahren erschütterte ein bedrohlich klingendes Donnern die Ortschaft Barkow an der B 191 zwischen Plau am See und Lübz. Am 3. April 2004 stürzte der Dachstuhl des Kirchenschiffs völlig unerwartet ein. „Wir waren damals gerade im Urlaub. Als wir zurückkehrten, fehlte ein großer Teil der Kirche. Nur die Außenmauern des Schiffs und der Turm standen noch“, erzählt Claudia Huss. Nachbarn berichteten ihr, der Einsturz hätte sich angehört, als ob fünf Laster zugleich Kies abgekippt hätten. Wie durch ein Wunder kamen damals keine Menschen zu Schaden. Warum der Bau ausgerechnet an diesem windstillen Tag einstürzte, ist nicht abschließend geklärt. Es könnte eine Spätfolge der Plünderungen von Dorf und Kirche im Dreißigjährigen Krieg gewesen sein. „Danach war das Dach lange undicht. Die Balkenköpfe, die das Dach auf der Mauer hielten, wurden dabei nass und faulten in den folgenden Jahrhunderten nach und nach durch. Ein Sturm einige Tage vor dem 3. April gab der Konstruktion dann eventuell den Rest“, fasst Claudia Huss diese Theorie zusammen.
Die heute 58-jährige fühlte sich der Kirche Barkow damals seit fünf Jahren verbunden. 1999 war sie mit ihrem Mann, dem heutigen Landesposaunenwart Martin Huss, in das alte Barkower Pfarrhaus gezogen, das nur wenige Meter von der Kirche entfernt liegt. Als Kirchenmusikerin leitet Claudia Huss den Kirchenchor. Außerdem ist die dreifache Mutter Kirchenälteste und die „gute Seele“ des Sakralbaus: sie kümmert sich um die „offene Kirche“, um den Blumenschmuck, um Führungen und Veranstaltungen. „Als ich die Barkower Kirche zum ersten Mal sah, war sie recht marode und bot einen bedauernswerten Anblick. Doch mit rund hundert Plätzen war sie dennoch das Zentrum der Gemeinde, wo Gottesdienste und andere Aktivitäten stattfanden.“ Schon damals hatte der Bau eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Sein ältester Teil, das Schiff mit der Feldsteinmauer, stammt aus dem 14. Jahrhundert. Das Dach hatte man mit einer geraden Holzbalkendecke von unten geschlossen. Verbunden mit dem Schiff war zu dieser Zeit ein Holzturm mit einer Glocke, die heute noch erhalten ist. Ihn ersetzte später ein Turm mit Ziegelfachwerk, wie es für das späte 18. Jahrhundert typisch ist. Die Stahlkonstruktion zwischen diesen beiden Elementen entstand im Zuge des Wiederaufbaus und repräsentiert das Moderne, das 21. Jahrhundert. „Nach dem Einsturz beräumten Einwohner und Freiwillige Feuerwehr natürlich erst einmal das, was von der Kirche übrig war. Aber schnell entstanden Pläne für den Wiederaufbau. Schon im Mai 2004 gründete sich ein Förderverein, der Spenden einwarb und Benefizkonzerte veranstaltete“, berichtet Claudia Huss. Die Restaurierung kostete über eine halbe Million Euro – neben den Mitteln, die der Förderverein beschafft hatte, waren das vor allem Gelder aus der sogenannten Notsicherung, einem Gemeinschaftsprojekt der Stiftung Denkmalschutz, der Landeskirche und des Landes Mecklenburg-Vorpommern. In dem Wettbewerb, der für den Wiederaufbau ausgelobt worden war, setzte sich das Architektenbüro stadt+haus aus Wismar durch. 2006 wurde die Sanierung beendet.
Zwei Jahre später gewann das Bauprojekt mit der gelungenen Verbindung von Elementen aus den drei Epochen den Landesbaupreis Mecklenburg-Vorpommern. 2015 schließlich kehrten noch einige Gegenstände, die nach dem Einsturz ausgelagert worden waren, in die Kirche zurück, unter anderem ein Bild von Gaston Lenthe, das früher über dem Altar hing und Christus mit Kelch und Brot zeigt. Mit der Sanierung veränderte die Kirche Barkow nicht nur ihr Äußeres, sondern auch ihr inneres. „Dieser wunderbare Segensort hat sich von einem bedauernswerten Schuppen zu einem aufgeräumten Schatzkästlein entwickelt“, sagt Claudia Huss. Mit dieser Meinung steht sie sicher nicht allein. Im Vergleich zu dem etwas düsteren Eindruck, den das Kircheninnere mit der Holzdecke und den in vielen Jahren nachgedunkelten Wänden früher bot, wirkt es jetzt hell und freundlich. Das Schiff hat statt der Holzdecke ein Spitzdach. Die Orgel steht jetzt frei und bekam ihre ursprüngliche Akustik zurück. Neben dem nun beweglichen Altar ist das bunte Glasfenster an der Ostseite der neue Mittelpunkt. Das Christusbild ist an einen anderen Ort im Schiff gewandert. Indem man das Stahlelement einbaute, schuf man die Möglichkeit, ein neues breites Doppelportal dort zu integrieren. „Da bekanntlich auch Trauerfeiern zu den kirchlichen Veranstaltungen gehören, war das für uns eine nützliche Maßnahme. Denn durch diese Türen lassen sich Särge würdig hinausgeleiten“, betont Claudia Huss. Oft beherbergt die Kirche Barkow mit ihren nun rund siebzig Plätzen aber auch Zusammenkünfte, die das Leben feiern: „Wir pflegen besonders die Kombination aus dem Dialog mit Gott, Musik und gutem Essen.“ Zur Tischgemeinschaft lädt schließlich auch das Motiv des alten Altarbilds ein. Bei dieser Art Andacht kann man die Stühle zwangloser ausrichten. Die Gemeindemitglieder brächten dann auch Speisen mit, so dass ein Buffet entstünde, erzählt Claudia Huss. Damit danach kein zu großes Chaos an dem heiligen Ort herrscht, greift man auf die Segnungen der modernen Zeit zurück. Denn neben neuer Technik und sanitären Anlagen wurde im Turm auch eine Küche mit einer Spülmaschine eingebaut.