Seit über zehn Jahren hat Martin Hebert das Amt des Kantors in der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Malchow inne. Die strukturellen Veränderungen innerhalb der Kirche sorgten dafür, dass er seit mehreren Monaten neben seiner Tätigkeit vor Ort weitere Aufgaben in der Region wahrnimmt. Der 39-jährige Kirchenmusiker vermittelt dabei unter anderem vier Jugendlichen, welch faszinierendes Instrument die Orgel ist. „Eine Arbeit, die gut und lohnend ist und viel Spaß macht“, lobt Martin Hebert.
Kurz nach zwölf an einem Mittwochmittag in der Tourismussaison. Das Wetter ist wechselhaft, wie immer in der letzten Zeit. Die Türen der Stadtkirche Malchow stehen weit offen. In den Bankreihen sitzen einige Leute: Familien, eine Gruppe Jugendlicher, zwei ältere Paare. Von oben klingt die Orgel. Die Töne rauschen mal laut, mal perlen sie leise. Wer spielt, ist von unten nicht zu sehen. Erst als die letzte Melodie verebbt ist, kommt er die Treppe herunter: Kantor Martin Hebert. Jeden Mittwoch zwischen Mitte Juni und Mitte September lässt er das Instrument in der Stadtkirche erklingen. „Orgelpunktzwölf“ beginnt nach dem letzten Glockenschlag zur Mittagsstunde und endet etwa zwanzig Minuten später. „Ich überlege mir meist am Anfang der Woche, was ich zu Gehör bringen will, ob es etwas Traditionelles oder etwas Modernes sein soll. Für diesen Mittwoch habe ich mir für verschiedene Stücke der Familie Bach entschieden“, berichtet der Kirchenmusiker. Das bekannteste Mitglied der Komponistenfamilie, Johann Sebastian, ist Heberts Favorit. „Ihn zu spielen, bedeutet für mich Meditation. Seine Musik ist perfekt, sie enthält viel Symbolik. Bei seinem umfangreichen Werk kann ich immer noch etwas entdecken.“
2012 trat Martin Hebert die Kantorenstelle in der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Malchow an. Er stammt ursprünglich aus Thüringen, ist in der Nähe von Neuhaus am Rennweg aufgewachsen. „Da mein Vater aber aus Mecklenburg kommt, zog es mich in den Norden zum Studium der Kirchenmusik, genauer: nach Greifswald. Dort habe ich auch meine Frau kennen gelernt. Nachdem ich mich danach für die Kantorenstelle, die hier in Malchow ausgeschrieben war, beworben hatte und angenommen worden war, zogen wir gemeinsam hierher.“ Das Paar wohnt nun mit seinen drei Kindern in der Inselstadt, auf dem Kloster. Bis zum letzten Jahr war Martin Hebert als Kantor nur für die Kirchengemeinde Malchow zuständig. Doch die schwindenden Mitgliederzahlen sorgten auch hier in der Kirchenregion Müritz für strukturelle Veränderungen. So ist die Tätigkeit des 39-jährigen nun gewissermaßen dreigeteilt: Fünfzig Prozent seiner Stelle entfallen auf die Arbeit hier in Malchow – er spielt unter anderem bei Gottesdiensten und anderen Veranstaltungen und leitet den Kirchenchor. Einen Tag pro Woche unterrichtet er außerdem Musik in der Beruflichen Schule zur Integration schulpflichtiger Jugendlicher am Rande Malchows. Die verbleibenden fünfundzwanzig Prozent nutzt er für einen Gottesdienst pro Monat in der Müritzregion, die grob von Varchentin bis Alt Schwerin und von Kirch Grubenhagen bis Buchholz reicht. Und für eine Aufgabe, die er als sehr sinnvoll und freudebringend empfindet: Martin Hebert lehrt vier Jugendliche, die in und um Röbel zu Hause sind, die „Königin der Instrumente“ zu spielen. Seit Oktober 2021 arbeitet er im Einzelunterricht mit den zwei Mädchen und zwei Jungen, die jetzt zwischen 12 und 16 Jahren alt sind. Die Stunden finden immer am Dienstagnachmittag statt und sind zeitlich mit dem Schulzentrum Röbel koordiniert. Musikalische Vorkenntnisse haben die Jugendlichen mitgebracht, vor allem vom Klavier. „Ihre Motivation ist unterschiedlich: Einer findet vor allem das Instrument selbst spannend, also seinen Aufbau, die technische Ebene. Folgerichtig wird er im neuen Schuljahr ein Praktikum bei einem Orgelbauer absolvieren. Ein anderer ist einfach vielseitig musikalisch interessiert und spielt bereits im Posaunenchor.“ In den knapp zwei Jahren haben die angehenden Organisten schon viel gelernt – können zum Beispiel ihre Klavierstücke auf der Orgel unter Einsatz des Pedals zu Gehör bringen oder bereits anspruchsvolle Choralbearbeitungen aus Bachs Orgelbüchlein spielen. In ihrer Freizeit haben sie glücklicherweise die Möglichkeit, in den Kirchen ihrer Heimatorte üben, zum Beispiel in Ludorf. „Ich freue mich dabei sehr, dass die teilweise mit großem Aufwand restaurierten Orgeln dabei eingesetzt werden“, kommentiert Martin Hebert. Er nimmt die vier Schüler auch zu den Gottesdiensten in der Region mit, damit sie sich dort etwas abschauen und kleinere Stücke selbst spielen können. Zum Abschluss des letzten Schuljahres hat er mit allen vier Schülern zusammen nicht nur wie sonst die Orgel der Röbeler Nikolaikirche erklingen lassen, sondern auch die der Marienkirche. „Es war spannend zu erleben, wie die Jugendlichen sich austauschen. Ich hoffe, dass sie alle bei dem Orgelworkshop dabei sein werden, der am 9. September in Malchow stattfinden wird.“
Natürlich muss auch der Orgellehrer Martin Hebert noch regelmäßig üben. „Ich frische dabei meine Fähigkeiten auf, studiere neue Stücke ein und arbeite daran, mich musikalisch immer weiterzuentwickeln.“ Mehrere Stunden wöchentlich nimmt er sich Zeit dafür. Er kann an der Orgel der Stadtkirche und den Instrumenten der Klosterkirche „trainieren“ sowie an den beiden Klavieren, die er zu Hause hat. Beim Klavierspiel erinnert er sich manchmal daran, wie er über dieses Instrument zur Orgel kam: „Als Kind spielte ich zunächst Trompete und war im Kinderchor aktiv. Als ich dann überlegte, später Musik zu studieren, kaufte ich mir von meinem Konfirmationsgeld ein E-Piano. Kurz darauf bekam ich den ersten Klavier- und Orgelunterricht bei dem Kantor meiner Heimatgemeinde.“ Martin Hebert liebt die „Königin der Instrumente“ wegen der musikalischen Vielfalt, die man damit erreicht. „Man kann mit ihr den ganzen Raum mit Klang ausfüllen, alle Register ziehen. Der tiefe Bass ist sogar körperlich spürbar. Wenn er erklingt, vibrieren die Kirchenbänke.“