DEHOGA organisiert Demo „FÜNF NACH ZWÖLF“
Der 01. Mai ist traditionell ein Tag, an dem demonstriert wird. Es ist der Tag der Arbeit, das heißt im Jahr 2020 ist es der Tag der Kurzarbeit. Die von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig viel angepriesene DNA von Mecklenburg-Vorpommern ist schwer erkrankt oder besser gesagt der Tourismus und die Gastronomie in MV stirbt. Darauf haben heute stellvertretend 50 Hoteliers und Gastronomen in Waren (Müritz) aufmerksam gemacht.
Unter dem Motto „FÜNF NACH ZWÖLF“ hat der DEHOGA Regionalverband Mecklenburgische Seenplatte, zu dem 125 Mitglieder gehören, aufgerufen, friedlich auf dem Neuen Markt in Waren (Müritz) um 12:05 Uhr zu demonstrieren. Leere Stühle säumten zur besten Mittagszeit den Marktplatz und symbolisierten die Lage in den Hotels, Pensionen und Restaurants. Unter Argusaugen der kreislichen Ordnungsbehörde versammelten sich die Unternehmer mit Plakaten hinter ihren Stühlen, an denen kurz zuvor Claudia Bergmann als Betreiberin einer Gärtnerei und gleichzeitig Vorsitzende des Innenstadtvereins von Waren (Müritz) rote Grablichter aufstellte.
Aber nicht nur die Unternehmer versammelten sich auf dem Marktplatz, auch Warens Bürgermeister Norbert Möller, etliche Stadtvertreter und Landespolitiker sowie zahlreiche Einheimische solidarisierten sich mit den zugelassenen 50 Versammlungsteilnehmern und verteilten sich zwischen dem historischen Rathaus und dem Haus des Gastes.
Dennoch wurde es keine politische Kundgebung. Vielmehr machten die Hoteliers und Gastronomen auf ihre prekäre Lage aufmerksam und erzählten unverblümt und ungeschönt ihre ganz persönliche Geschichte.
So erklärte Kati Strasen vom Hotel „Kleines Meer“, warum sie keine großen Ersparnisse mehr hat. „Wir bilden jedes Jahr Rücklagen. Jedes Jahr investieren wir. Jedes Jahr müssen wir durch den scheißlangen Winter kommen, damit ich alle meine Mitarbeiter halten kann und keinen entlassen muss. Und das habe ich bisher geschafft. Doch in diesem Jahr geht uns nach weiteren drei Wochen einfach die Luft aus“, so die Hotelinhaberin aus Waren (Müritz), die mit großen Privatkrediten sich ihren Traum erfüllte. Aus diesem Grund braucht sie auch keine weiteren Kredite zur Rettung, sondern Übernachtungs- und Restaurantgäste, um das Unternehmen am Leben zu halten.
Christiane Scherfig vom Seehotel „Weit Meer“ und der Kulturkneipe „FloMaLa“ packte ihre Gefühle und Gedanken in das Gedicht „Butter bei die Fische“ und meinte: „Am Anfang war die Sache wichtig. Sie war ein Schock, doch der tat Not. Jetzt macht ihr es aber nicht mehr richtig, denn ihr werft uns aus eurem Boot. Das Boot, in dem tausende sitzen für den Tourismus in MV. Auch für Diäten wir hier schwitzen. Unsere Steuern für euch, das wisst ihr genau.“ Natürlich will auch Christiane Scherfig gesund bleiben, aber sich an der Nase herumführen und gegenseitig auszuspielen, geht der Unternehmerin zu weit. Das Frisöre öffnen können, gönnt Christiane Scherfig den Dienstleistern, aber das Restaurants und Hotels geschlossen bleiben, sorgt für Unverständnis. „Schutzmaßnahmen können wir ganz schnell. Hygiene und Abstand garantieren wir mit Plan. In Gastronomie und im Hotel kann man uns gern kontrollieren. Ja, auch sie Herr Spahn. Kein Kellner kommt dem Gast näher, als der Frisör mit Kamm und Scherr“, argumentierte Christiane Scherfig.
Musiker Thomas Müller ist derzeit nicht zum Musizieren zumute, denn auch er ist betroffen von den Einschränkungen, die Veranstaltungen und Konzert gestrichen haben. „Zwar habe ich die Soforthilfe mittlerweile bekommen, aber damit ist der Fall ja nicht abgeschlossen. Auf Anregung von Frank Freisleben schlug Müller der Schweriner Staatskanzlei vor, Musikschulen wiederzueröffnen. „Das geht perfekt im Einzelunterricht, viel mehr Abstand geht ja nicht mehr“, doch das fand ebenso in Schwerin kein Gehör. Gehör dafür fanden Mia und ihr Bruder Leo, die spontan ein kleines Trompetenkonzert für die Demonstranten parat hatten.
„Wir sind hier, weil wir Zusammenhalt demonstriert wollen. Auch uns fehlen die Urlauber. Unsere Innenstadt ist gespenstisch leer“, so Claudia Bergmann vom Warener Innenstadtverein. Die erste Lange Einkaufsnacht wurde abgesagt und auch die zweite Auflage wird nicht stattfinden können. „Aber wenn wir das alles überstanden haben, dann machen wir eine große Party“, versprach Claudia Bergmann.
„Die Rücklagen sind einfach aufgebraucht, die wir über den Sommer erwirtschaften haben. Uns wird keinerlei Perspektive geboten“, unterstrich Carsten Leddermann die Ausführungen seiner Vorredner. „Jeder von uns hat Kredite. Wozu sollen wir jetzt weitere Kredite aufnehmen, um uns noch weiter zu verschulden“, so der Koch und Betreiber des Restaurants Leddermann. „Wir leben von, aber auch für unsere Gäste. Und wir wollen unsere Gäste wiederhaben“, beteuert Carsten Leddermann. „Liebe Kollegen, haltet durch“, versuchte der Koch seinen Mitstreitern Mut zu machen.
Doch der Mut weicht zusehends. „Kind, gegessen und getrunken wird immer“, sagte die jetzt 87-jährige Großmutter von Cindy Kreuzberger noch vor ein paar Jahren. Das spornte die Unternehmerin auch an, sich mit dem Restaurant „Sealounge“ in Waren (Müritz) vor sieben Jahren privat zu machen. „Ich habe jetzt einen Beruf und ein Restaurant und ich darf meinen Beruf nicht ausüben. Ich bin stillgelegt. Ich weiß nicht, wovon ich Essen, Trinken, wovon ich irgendwas kaufen soll“, zeigte sich die Gastwirtin ihren Kollegen und den Anwesenden sehr emotional und erntete dafür tröstenden Applaus.
Doch vom Applaus wird man nicht satt, mit Applaus kann man nicht die Angestellten bezahlen und die eigene Familie ernähren. „Was passiert mit den Hotels, die seit 17. März 2020 geschlossen sind“, fragt Katja Jedwillat, die ein kleines Hotel in der Warener Innenstadt betreibt und auch Vorsitzende der Hotelgemeinschaft von Waren (Müritz) ist. „Wieviel Sinn macht es, den Tourismus für das eigene Bundesland zu öffnen, wenn keiner mehr Geld hat. Schwerins sanfter Start in den Tourismus ist eine Klatsche für uns“, so die Unternehmerin. „Die DNA von Mecklenburg-Vorpommern, unser Tourismus, liegt scheinbar nicht im Blut der Ministerpräsidentin“, zeigte Katja Jedwillat wütend. Wütend auch über einen Gesundheitsminister Jens Spahn, der sich mit zehn weiteren Leuten ohne Sicherheitsabstand in einen kleinen Fahrstuhl zwängt und nicht in der Lage ist, einen Mundschutz richtig aufzusetzen. Wütend auf eine Verteidigungsministerin AKK, die sich auf dem Flugplatz Leipzig über eine große Lieferung Mund-Nasen-Schutz freut und sich selbst in einer Menschenmasse ohne jeglichen vorgeschriebenen Schutz tummelt. Wütend über eine Bundeskanzlerin, die mit einem Zahlenwirrwarr aus Statistiken und dem Unwort „Öffnungsdiskussionsorgien“ im Rahmen des Corona-Lockdowns um sich wirft. „Wir haben auf unseren Brief an das Schweriner Ministerium vom 18. April noch keine Antwort. Auch der Brief vom 20. April von Bürgermeister Norbert Möller blieb bislang unbeantwortet“, ließ Katja Jedwillat ihrer Wut freien Lauf. Welchen Anreiz schaffen wir den Urlaubern, wenn alle Veranstaltungen abgesagt sind. Die Kellner mit Mundschutz oder die geschlossen Strände sind es wohl nicht“, so die Unternehmerin, die mit einem Zitat von Benjamin Franklin endete: „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.“
Damit endete auch eine friedliche Demonstration auf den Neuen Markt in Waren (Müritz), die mit Sicherheit nicht die letzte Aktion einer verzweifelten Tourismusbranche bleiben wird.
Die Arbeitslosenquote in der Mecklenburgischen Seenplatte liegt derzeit mit 12.022 Arbeitslosen bei 9,1 Prozent.
Bilder DEHOGA-Demo in Waren (Müritz)
Am 01.05.2020 in der Zeit von 12:00 Uhr bis 13:00 Uhr fand auf dem Neuen Markt in Waren, im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte eine öffentliche Versammlung der DEHOGA M-V statt. Die Veranstaltungsteilnehmer hatten 50 Stühle auf dem Markt aufgestellt und dadurch ihre gegenwärtige Lage im Zusammenhang mit den Einschränkungen der Corona- Krise zum Ausdruck gebracht. Es nahmen 50 Personen an der Versammlung teil. Ca. 150 Personen befanden sich im Umfeld der Versammlung. Anhänger der AfD breiteten in unmittelbarer Nähe der Versammlung ein Banner in der Größe 5 mal 2 Meter aus. Auf dem Banner war die Aufschrift: ´AfD Waren. Wir wollen leben! Tourismus- Tot - MV - Tot ; Landesgrenzen sofort öffnen´ Da die Versammlung der AfD -Anhänger nicht angemeldet war, wurde sie untersagt. Zu Störungen kam es nicht.