Die Malchowerin Ulla Renne pflegt seit rund acht Jahren das Grab der letzten Domina, der Herren, des Klosters Malchow, Gertrud von Lücken, die 1972 starb. Die Vorsteherin des Damenstiftes war eine in der Inselstadt sehr geachtete Persönlichkeit und wurde fast 95 Jahre alt. Sie beeindruckte Ulla Renne sehr, als diese noch ein kleines Mädchen war. Daher fühlt sich die Rentnerin in gewisser Art dafür verantwortlich, sich um das Grab der Domina auf dem Klosterfriedhof zu kümmern.
Das Foto in der der Broschüre „700 Jahre Kloster Malchow“ zeigt eine würdevolle Greisin mit gerader Körperhaltung. Sie steht vor ihrem Wohnhaus auf dem Klostergelände. Im Hintergrund ist die Kirche zu erkennen. Gertrud von Lücken trägt ihre Festrobe: ein schwarzes langes Kleid, einen elfenbeinfarbene Spitzenumhang und einen Orden am roten Band. „Die letzte Domina des Klosteres Malchow überlebte das Stift um Jahrzehnte. Sie war eine allseits geachtete und verehrte Persönlichkeit in Malchow“, heißt es im Begleittext. Ulla Renne hat persönlichere Erinnerungen an Gertrud von Lücken: „Als ich ein kleines Mädchen war, arbeitete meine Mutter in der Konsumfleischerei. Wenn ich sie dort besuchte, gab sie mir oft ein kleines Stückchen Wurst auf die Hand. Manchmal war Frau von Lücken gerade als Kundin dort. Sah sie mich mit meinem Stück Wurst, sagte sie immer: „Lass es dir schmecken, mein Kind.“ So sehe ich sie immer noch vor mir, auch wenn es schon so lange her ist“, erzählt die heute 75-jährige. Dass sie später einmal das Grab der „strengen, hochgewachsenen und eindrucksvollen Dame“ pflegen sollte, wusste das Kind Ulla natürlich noch nicht.
Zeitsprung ins Jahr 2014. Ulla Renne ist nach langer Tätigkeit beim Forschungsinstitut für die Biologie landwirtschaftlicher Nutztiere (FBN) in Dummerstorf in den Ruhestand gegangen und wieder nach Malchow gezogen. Sie engagiert sich nun im Förderverein Kulturzentrum Kloster Malchow e.V. dabei, ihre Heimatstadt zu verschönern. Bei einem Spaziergang auf dem Klosterfriedhof entdeckt sie dann das Grab Gertrud von Lückens. „Alles war überwuchert und ungepflegt. Man konnte deutlich sehen, dass sich niemand um das Grab kümmerte“, berichtet Ulla Renne. So übernimmt sie nun die Pflege der Grabstelle der Frau, die sie in ihrer Kindheit so tief beeindruckt hat. Gertrud von Lückens Grabstelle befindet sich im hinteren Friedhofsteil, inmitten der Gräber weiterer Stiftsdamen und beschattet von drei Weymouthskiefern. Ulla Renne kommt je nach Jahreszeit einmal oder zweimal in der Woche her, bepflanzt das Grab dreimal jährlich neu, gießt und jätet, wenn es nötig ist. Sie kümmert sich auch um einige andere Gräber, unter anderem die mehrerer Konventualinnen, gut zu erkennen an den hohen Kreuzen – und das Alexis von Roennes: Dieser preußische Offizier gehörte zum erweiterten Kreis um Stauffenberg und war ein Mitwisser des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944. Nach dem missglückten Putsch wurde er verhaftet, in das berüchtigte Gefängnis Berlin-Plötzensee gebracht, dort ermordet und in der Umgebung des Gefängnisses verscharrt. Hier auf dem Friedhof erinnert ein Gedenkstein an ihn. Auch ein Teil seiner Familie ist hier begraben. „Ich bin im Übrigen nicht die einzige, die Gräber auf dem Klosterfriedhof pflegt, die sonst wahrscheinlich verfallen und zuwuchern würden, und dafür mehrere Stunden wöchentlich aufwendet. Margret Watta, Sabine Schöbel und Manfred Göring tun dasselbe wie ich. Gemeinsam sorgen wir dafür, dass die Grabstellen von Malchower Bürgern in einem würdevollen Zustand sind und bleiben“, betont Ulla Renne.