Franziskanerbruder Gabriel und sein rollendes Kloster
Gabriel Zörnig pilgert von Waren (Müritz) durch Mecklenburg-Vorpommern

Unterwegs im Sinne Franziskus´ Mit seinem „rollenden Kloster“ fährt der Franziskanerbruder Gabriel Zörnig von Waren (Müritz) aus regelmäßig durch Mecklenburg-Vorpommern, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Wenn Bruder Gabriel an seinem Basisort Waren (Müritz) Station macht, parkt er das „rollende Kloster“ hinter dem Gemeindehaus der katholischen Kirchengemeinde. Auch an diesem Nachmittag im Spätwinter steht es da. Bruder Gabriel öffnet die Tür des Fiat-Wohnmobils, das er im November bekommen hat, nachdem das Vorgängerauto nicht mehr den TÜV passierte. Drinnen sorgt ein Elektroradiator für Wärme. „Das Mobil ist für mich Lebensraum, Arbeitsplatz, Rückzugsort, Beichtstuhl und Vorratskammer“, sagt der 61-jährige Ordensbruder. In einer Nische über dem Fahrersitz schläft er, wenn er unterwegs ist. Im hinteren Teil des sieben Meter langen und über drei Meter hohen Fahrzeugs können weitere zwei Personen übernachten – zum Beispiel Kirchenmitarbeiter, die Gabriel auf seinen Touren begleiten. Dusche und Toilette gibt es pro forma auch. Aber in der Regel nutzt der Bruder die sanitären Einrichtungen in den Gemeindehäusern, wo er sein Mobil abstellt, oder nächtigt auf Campingplätzen.
Im Warener Gemeindehaus hat er ein kleines Zimmer. Während des vergangenen Jahrs besuchte er mit dem „rollenden Kloster“ so unterschiedliche Orte wie das Fusion-Festival in Lärz, den Campingplatz Ecktannen in Waren (Müritz), die Städte Neustrelitz und Feldberg, Dörfer im Klützer Winkel, das Neubaugebiet Rostock-Evershagen und den Strand in Warnemünde. Ab und an ist er auch außerhalb Mecklenburg-Vorpommerns unterwegs. So besuchte er zum Beispiel vor einigen Monaten den Katholikentag in Erfurt. Seit vier Jahren bereist Bruder Gabriel die Lande, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Damit handelt er im Sinne des Ordensgründers Franziskus. „Er war sehr volksverbunden. Diesem Beispiel möchten wir Franziskaner folgen und zu den Leuten hingehen“, betont er. Sein Projekt heißt „Franziskanisch unTerwegs“. Warum das T darin großgeschrieben wird, fragen seine Gesprächspartner ihn oft. „Das T steht hier für das „tau“, den kleinsten Buchstaben des altgriechischen Alphabets. Er symbolisiert durch seine Kleinheit Demut.“ Gabriel ist nach seinem Studium der Theologie und Philosophie an der Ordenshochschule Münster in den Neunziger Jahren selbstverständlich des Lateinischen, Griechischen und Hebräischen mächtig. Bevor er sein Projekt startete, hatte er bereits Erfahrungen an vielen verschiedenen Stationen gemacht: Als Andreas Zörnig in Rüdersdorf bei Berlin in einer vielköpfigen katholischen Familie aufgewachsen, entschied er sich früh, Ordensbruder zu werden. „Die Franziskaner fand ich besonders spannend, seit ich in dem DDR-Buch „Christen, die anders leben“, über sie gelesen hatte.“
Seine Ordensausbildung begann er 1989 im katholisch geprägten Eichsfeld. „Dabei lernt man unter anderem, was man über den Orden selbst, seine Traditionen und wichtige Gebetsformen wissen muss.“ Zehn Jahre später wurde er zum Priester geweiht. Bereits bei seinem Ordenseintritt hatte er sich den Ordensnamen Gabriel ausgesucht, der nun neben seinem Taufnamen Andreas und seinem Nachnamen im Ausweis steht. In den Jahren nach der Weihe arbeitete Bruder Gabriel in verschiedenen Städten – dort, wo er jeweils gebraucht wurde – als Jugendpfarrer, unter anderem ab 2006 für vier Jahre in Waren. 2010 wurde er Gefängnisseelsorger in den drei Einrichtungen in Neustrelitz, Neubrandenburg und Bützow. „Als Seelsorger habe mich jedem neu Eingelieferten vorgestellt und ihm ein Gesprächsangebot gemacht. Dabei wusste ich natürlich nie, was für ein Mensch mich hinter der jeweiligen Zellentür erwarten würde.“ Auch für die Gefängnisbeamten hatte der Ordensbruder ein offenes Ohr. Die Idee zu „Franziskanisch unTerwegs“ kam ihm in dieser Zeit. „Als ich gefragt wurde, von wo aus ich dabei operieren wollte, entschied ich mich sofort für Waren.“ Gabriel schrieb ein Konzept für sein Projekt. 2021 ging es los. Wenn der Bruder sein Wohnmobil an einem Ort abgestellt hat, den er spannend findet, geht er dort gezielt auf die Menschen zu und spricht sie an. „Um das Eis zu brechen, frage ich sie zum Beispiel zunächst nach der katholischen Kirche in der jeweiligen Ortschaft oder lasse sie als Gesprächsanlass eine meiner Segenskarten ziehen.“ Die meisten Leute erzählten gern über sich selbst, hat Gabriel erfahren.
Derzeit seien viele Menschen ratlos, welchen Politikern sie überhaupt noch vertrauen und wen sie also wählen könnten. Aber grundsätzlich wollten die Leute vor allem über ihre eigene Lebensgeschichte reden, über die Brüche darin, über ihr Verhältnis zu anderen Familienmitgliedern, berichtet Bruder Gabriel. Bei dieser Reflexion fänden sie oft zu Gott. Damit „Franziskanisch unTerwegs“ dauerhaft erhalten bleibt und nicht nur an die Person Bruder Gabriels gebunden ist, begleiten ihn auf manchen seiner mehrtägigen Touren Kollegen. Sie beobachten ihn dabei, wie er mit den Menschen in Kontakt kommt, und versuchen sich vieles abzuschauen, um es dann auszuprobieren. Das sind intensive Tage für alle Beteiligten, weil man auf engstem Raum zusammenlebt und viel voneinander mitbekommt. „Auch wenn meine Begleiter in ihrem abgetrennten Bereich hinten im „rollenden Kloster“ schlafen, beten und essen wir gemeinsam und sprechen detailliert über unsere Arbeit in dieser Zeit“, erzählt Gabriel.