„Fahrrad-Kantor“ Martin Schulze
Radelnde Organist in der Stadtkirche Malchow
Am Abend des 24. Juli 2024 machte erneut der „Fahrrad-Kantor“ Martin Schulze aus Frankfurt an der Oder Station in der Stadtkirche Malchow. Der radelnde Organist hatte ein Programm mitgebracht, das gut zu der derzeitigen Ausstellung in der Stadtkirche passte: Denn neben Werken französischer Romantiker und Mendelssohn Bartholdys umfasste es Orgelmusik von DDR-Komponisten. „Damit habe ich mich schon für etwas Außergewöhnliches entschieden“, sagte Martin Schulze.
Zwei wichtige Gegenstände bestimmen Martin Schulzes Tag in der Sommersaison zwischen Mai und September: Die Orgel, auf der er dort spielt, wo er jeweils zu Gast ist. Und natürlich sein Fahrrad mit dem Spezialgepäckträger, auf dem er Noten, Werkzeug, Karten und Kleidung transportiert, die zusammen rund zehn Kilo wiegen. Fürs Foto vor der Malchower Stadtkirche kurz vor Konzertbeginn am Abend des 24. Juli konnte der Organist mit dem Drahtesel aber nur solo posieren. Denn die gut restaurierte Friese-Orgel wartete auf der Empore auf ihn und das Rennrad hatte er bei seinem langjährigen Freund geparkt, dem Malchower Pastor Eckhard Kändler, der auch die Einleitung und das Schlusswort zu diesem Orgelkonzert sprach. Nur das stilisierte Rad auf seinem T-Shirt wies Martin Schulze als „Fahrrad-Kantor“ aus. „Heute früh bin ich in Ferdinandshof auf der Friedländer Großen Wiese gestartet und habe dann rund 120 Kilometer bis nach Malchow zurückgelegt, teils bei doch recht straffem Gegenwind“, berichtete der sportliche Organist, für den am nächsten Tag eine etwas kleinere Etappe von etwa 85 Kilometern bis nach Dorf Mecklenburg auf dem Plan stand. Solche Strecken sind für Schulze Routine, radelt der Freiberufler doch seit rund fünfundzwanzig Jahren in jeder Sommersaison und bei jedem Wetter kreuz und quer durch Deutschland zu seinen Konzerten. „Für die Vorstellung in Malchow habe ich etwas Außergewöhnliches mitgebracht: Denn ich werde nicht nur Werke französischer Romantiker und von Felix Mendelssohn Bartholdy zu Gehör bringen, sondern auch Stücke von DDR-Orgelkomponisten“, kündigte er an. „Die Orgelmusik aus der DDR passt gut zu unserer Sommerausstellung, die sich ja ebenfalls dem Leben in jenem Staat und der Wendezeit widmet“, fügte Eckhard Kändler in seiner Einleitung hinzu.
Die „romantischen Franzosen“ umrahmten als erstes und letztes Stück Martin Schulzes diesjähriges Programm in der Stadtkirche Malchow – sein zweites, denn bereits im Sommer 2023 gastierte er hier. Er startete am 24. Juli 2024 mit zwei kleinen Werken von Louis Vierne und schloss mit einem „frischen, munteren Endstück“, wie er es beschrieb, der „Toccata G-Dur“ von Theodore Dubois. Im Mittelteil präsentierte er zweimal Mendelssohn Bartholdy: eine Sonate zur Hochzeit von Mendelssohns Schwester Fanny und eine Kombination aus Praeludium und Fuge mit „ausgeglichenem Charakter“. Zusätzlich hatte er sich Werke von drei DDR-Kirchenmusikern erarbeitet. Schulze stellte drei Choralvorspiele von Andreas Muntschick vor, einem ehemaligen Kantor aus Berlin-Mahlsdorf, eine Reihe aus Toccata, Trio und Fuge von Manfred Schlenker aus Greifswald und wiederum drei Choralvorspiele Volker Bräutigams aus Leipzig. „Manfred Schlenker spielt für mich eine besondere Rolle. Denn zu seiner Zeit als Leiter der Kirchenmusikschule Greifswald war er auch mein Lehrer“, erzählte Martin Schulze. Die drei Komponisten aus der DDR bezeichnete er als „interessante Entdeckungen“.
Die Orgel als Instrument, das vor allem mit Kirchenmusik assoziiert wird, hatte in einem atheistisch ausgerichteten Staat wie der DDR keinen leichten Stand. Dass die Orgelmusik zahlreiche Menschen in die Kirchen zog, passte nicht ganz zum politischen Programm. Daher ließ die Staatsführung in den 1970-er und 1980-er Jahren mehrere Konzertsäle mit Orgeln ausrüsten, damit auf diesen Instrumenten vor einem großen Publikum Musik gespielt werden konnte, die nicht ausschließlich kirchlich ausgerichtet war.