
Die Alte Synagoge in Krakow am See ist eine Rarität in Mecklenburg-Vorpommern: Sie überstand die Zeit des Nationalsozialismus ohne Schaden, da sie ab den 1920-er Jahren bis kurz vor der Wende als Turnhalle genutzt wurde. Nach der Umwidmung übernahm sie die Stadt Krakow, die sie in den frühen 90-er Jahren denkmalgerecht sanieren ließ. Seit 1995 veranstaltet der Kulturverein „Alte Synagoge“ Krakow am See e. V. Ausstellungen, Kinoabende, Lesungen oder Konzerte in dem geschichtsträchtigen Haus, das seit 2019 auch einmal jährlich wieder als Synagoge dient.
Es gibt wenige Dinge, die so schlecht sind, dass sie nicht noch etwas Gutes mit sich bringen. Das war auch bei der jüdischen Gemeinde in Krakow am See und ihrer Synagoge der Fall: Die Gemeinde, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts floriert hatte, schrumpfte um die folgende Jahrhundertwende, da ältere Mitglieder starben und jüngere in größere Städte umzogen. Bald konnte man weder das Geld für den Unterhalt der Synagoge noch für das Gehalt des angestellten Lehrers aufbringen. Nicht einmal mehr die Mindestanzahl an männlichen Gläubigen für den Gottesdienst kam noch zusammen. So hielt man 1911 ein letztes Mal das Chanukkafest, das jüdische Neujahrsfest, in der Synagoge ab und verkaufte wenige Jahre später gezwungenermaßen das Grundstück am heutigen Schulplatz mitsamt dem Gebäude für zehntausend Mark an die Stadt Krakow. Diese, die am 29. Oktober 1920 ins Grundbuch eingetragen wurde, musste als Auflage dafür sorgen, dass das Haus für öffentliche Zwecke genutzt wurde. So diente der umgebaute Betsaal im Erdgeschoss ab 1921 als Turnhalle für die Schuljugend und den Arbeiter- und Sportverein „Fichte Krakow“ - man trainierte darin und veranstaltete Wettkämpfe. 1926 errichteten die Sportler vor der Synagoge auch ein Denkmal für die Turnbrüder, die im Ersten Weltkrieg gefallen waren. Dieses ist noch heute zu sehen. „Die Umwidmung rettete das Gebäude vor der Zerstörung. Denn auch die Leute, die in der Nazizeit dem Regime nahestanden, wollten nicht die Turnhalle beschädigen, die sie selbst nutzten“, sagt Kurt Höffgen. Der Vorstandsvorsitzende des Kulturvereins „Alte Synagoge“ Krakow am See e. V., der seit 1995 Veranstaltungen in dem denkmalgeschützten Haus organisiert, hat sich intensiv mit dessen Geschichte beschäftigt. „Nach unserem Kenntnisstand gehört unsere Synagoge zu dem reichlichen Dutzend ihrer Art in Mecklenburg-Vorpommern, das die Nazizeit unbeschadet überstanden hat“, meint er. Nachdem das Gebäude nach 1945 für einige Wochen als Getreidespeicher diente, nutzte man es ab 1946 erneut als Turnhalle. Als 1984 eine neue Schulturnhalle entstanden war, benötigte man die alte nicht mehr. Obwohl es schon damals Pläne gab, die einstige Synagoge umfassend zu sanieren und die Zentralbibliothek der Stadt in ihr unterzubringen, stand sie bis kurz nach der Wende leer, weil das Geld dafür fehlte.
Eröffnet wurde die Synagoge im Jahr 1866. Zuvor hatten sich nach Pogromen gegen in Mecklenburg ansässige Juden und ihrer Vertreibung im 14. und 15. Jahrhundert wieder Vertreter dieser Religion in der Region angesiedelt. 1821 zählte die jüdische Gemeinde Krakows bereits 56 Mitglieder. Sie kauften in diesem Jahr einen Begräbnisplatz auf dem Friedhof an der Plauer Chaussee, der als jüdischer Friedhof immer noch existiert. „Er liegt nur einen Steinwurf von der Synagoge entfernt. Dort befinden sich rund zwanzig Gräber mit ihren Steinen, die hebräisch oder hebräisch-deutsch beschriftet sind. Auch der Friedhof blieb durch die Zeiten hindurch erhalten.Nun pflegen ihn seit vielen Jahren Schüler der Naturparkschule Krakow“, erzählt Kurt Höffgen. Als die neue Synagoge als Nachfolgerin einer ersten, kleineren mit Spendengeldern errichtet und 1866 durch den Landesrabbiner Salomon Cohn eingeweiht wurde, war die Gemeinde 110 Mitglieder stark. Die Gemeindeangehörigen waren oft als Händler oder Verkäufer tätig und gut ins Stadtleben integriert. Die Familie des Gemeindevorstehers Benno Nathan, der 1930 starb, betrieb zum Beispiel ein Geschäft für Manufaktur- und Modewaren. Als die Synagoge nach dem Niedergang der Gemeinde verkauft und umgewidmet wurde, nahmen zunächst die Gemeindemitglieder die Gegenstände darin, wie Kandelaber, Torarollen, Vorhänge und Sitzbänke, zu sich. Später gingen sie an die jüdische Gemeinde in Güstrow.
Kurt Höffgen, der 2013 aus dem Rheinland nach Krakow kam und sich seit 2018 im Verein engagiert, weiß aus Gesprächen mit älteren Vereinskollegen, wie die alte Synagoge kurz nach der Wende aussah: „Die Wände des ehemaligen Betsaals, in dem trainiert wurde, waren bis zur halben Höhe mit dunkler Farbe bestrichen. Sprossenwände waren daran angebracht. Die Fenster hatte man mit Draht vergittert, damit sie bei scharfen Ballwürfen nicht kaputt gingen.“ Das Dach sei intakt gewesen, das Gebäude nicht baufällig, aber gezeichnet von Feuchtigkeitsschäden. Bei der Sanierung von 1992 bis 1995 mithilfe großzügiger Fördermittel modernisierte die Stadt das Haus und stellte gleichzeitig, wo möglich, den alten Zustand wieder her. So entfernte man zum Beispiel im heute rund 80 Quadratmeter großen und 60 Plätze fassenden Betsaal für die Männer den Holzfußboden aus der Turnhallen-Zeit, baute eine Fußbodenheizung ein und flieste den Raum. Man entfernte die Farbschichten an der Wand und gestaltete an der Ostwand nach alten Vorlagen mit kleinen Blattgoldplättchen die Bändermalerei neu. In einer Vitrine ist jetzt eine ausgediente Tora der Familie Nathan ausgestellt. Gegenüber dem Betsaal befinden sich die Räume, die der 1995 gegründete und derzeit um die 90 Mitglieder zählende Verein für die Büroarbeit nutzt. Er organisiert Lesungen, Konzerte, Kinoabende, Ausstellungen oder Vorträge. Im ersten Obergeschoss der Synagoge hat er eine ständige Ausstellung über das jüdische Leben in Krakow etabliert. Seit 2019 dient die Synagoge zudem auch wieder ihrem ursprünglichen Zweck. Einmal pro Jahr, für das Jom-Kippur-Fest, kommt eine Gemeinde aus Berlin hierher. „Wir freuen uns, dass für diese zwei Tage das Gebäude zu seinen Wurzeln zurückkehrt. Einige Gemeindemitglieder aus Berlin erwägen sogar, sich später mal auf unserem jüdischen Friedhof bestatten zu lassen“, berichtet Kurt Höffgen.