10.000 Menschen auf Herz und Nieren geprüft
Die Hälfte der Wegstrecke ist geschafft. Seit drei Jahren läuft die bislang größte bundesweite Gesundheitsstudie NAKO in Mecklenburg-Vorpommern. Die Untersuchungsteams haben im Hauptzentrum in Neubrandenburg sowie in den temporären Studienzentren in Waren (Müritz) und Neustrelitz inzwischen 10.000 Menschen auf Herz und Nieren geprüft, 3.000 davon haben eine Magnetresonanztomographie erhalten. Gesundheitsminister Harry Glawe informierte sich heute im Hauptuntersuchungszentrum in Mecklenburg-Vorpommern, im Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg, über die Halbzeitbilanz des nordöstlichen Studienzentrums.
„Die größte Gesundheitsstudie Deutschlands wird maßgeblich auch mit dem Know-how aus unserem Bundesland organisiert und durchgeführt. Wir stehen bundesweit an der Speerspitze der Bewegung. Verlässliche Daten sind für eine nachhaltige Gesundheitsförderung und Krankenversorgung unabdingbar. Diese erhalten wir durch die Untersuchungen. Die langjährige erfolgreiche Bevölkerungsforschung am Institut für Community Medicine an der Universitätsmedizin Greifswald war ein entscheidender Grundstein für das Mammut-Projekt. Die Politik braucht diese wissenschaftlich fundierten Studien, um die notwendigen Programme für eine bessere Förderung und Versorgung der Bevölkerung umzusetzen“, betonte Minister Harry Glawe. „Jeder Bürger, der an der Studie teilnimmt, leistet damit auch einen persönlichen Beitrag für den medizinischen Fortschritt.“
In der NAKO-Gesundheitsstudie werden seit 2014 Männer und Frauen zwischen 20 und 69 Jahren bundesweit in 18 Studienzentren medizinisch untersucht und nach ihren Lebensumständen befragt. Ziel ist es, chronische Erkrankungen, wie zum Beispiel Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rheuma, Infektionen und Demenz genauer zu erforschen, um Prävention, Früherkennung und Behandlung dieser in der Bevölkerung weit verbreiteten Krankheiten zu verbessern. Bis heute haben schon mehr als 100.000 Personen an der NAKO-Studie teilgenommen, 200.000 sollen es insgesamt werden.
35 Probanden werden täglich untersucht
„Die Erstuntersuchung der 20.000 Teilnehmer mit 6.000 MRT-Probanden in Mecklenburg-Vorpommern soll bis zum April 2018 abgeschlossen werden“, kündigte der NAKO-Studienleiter in Mecklenburg-Vorpommern, Prof. Henry Völzke von der Universitätsmedizin Greifswald, an. „Das klingt ambitioniert, ist aber zu schaffen. Im Mai 2014 sind wir mit der Testreihe, Probephase und den ersten Untersuchungen gestartet. Seit gut einem halben Jahr laufen wir auf Vollbetrieb mit optimaler Auslastung“, so Völzke. Heute werden täglich bis zu 35 Teilnehmer in beiden Studienzentren und bis zu elf Teilnehmer im MRT-Zentrum untersucht.
Parallel dazu werden bereits die ersten Folgetests ab Mai 2018 geplant. „Das bedeutet, nach vier bis fünf Jahren werden die Teilnehmer der Erstuntersuchung erneut eingeladen, um den Verlauf ihrer gesundheitlichen Entwicklung verfolgen zu können.“ Der NAKO-Studienleiter bedankte sich für die professionelle Unterstützung im Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg sowie bei den örtlichen Verantwortlichen im Landkreis und in den Städten und allen Arbeitgebern, die ihre Mitarbeiter für die Dauer der Untersuchung freistellen. „Nur mit dem öffentlichen Rückenwind konnten wir das anspruchsvolle Untersuchungsprogramm für die ersten 10.000 Teilnehmer in den drei Jahren schaffen.“
NAKO zieht im Juli erstmals nach Demmin
In Mecklenburg-Vorpommern gibt es zwei Studienzentren, die zur Studienregion Neubrandenburg und Mecklenburgische Seenplatte zählen. Das Hauptstudienzentrum Neubrandenburg im Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum wird über die gesamte Laufzeit Studienteilnehmer untersuchen. Zudem gehört das Studienzentrum Neubrandenburg bundesweit zu einem von fünf Studienzentren, die auch ein Ganzkörper-MRT anbieten.
Eine Besonderheit und ein Alleinstellungsmerkmal der NAKO-Studienregion MV sind die temporären Untersuchungszentren in der Region Mecklenburgische Seenplatte, welche parallel zum ständigen Studienzentrum betrieben werden und nach einer bestimmten Zeit den Ort wechseln.
Gestartet wurde im Mai 2014 in Neustrelitz. Seit Mai 2016 und bis zum Juli dieses Jahres ist die NAKO-Außenstelle noch in Waren (Müritz) beheimatet und wird anschließend bis zum April 2018 nach Demmin umziehen. Die Organisation der beiden Studienzentren liegt bei der Universitätsmedizin Greifswald.
Zehn Prozent der Probanden der nationalen Langzeit-Bevölkerungsstudie werden aus dieser Region kommen, das sind 20.000 der insgesamt 200.000 nach dem Zufallsprinzip ausgesuchten Teilnehmer. „Die Erfahrungen aus der ersten Halbzeit in MV zeigen deutlich, dass sich die temporären Studienzentren positiv auf die Teilnahmebereitschaft auswirken. Eine Stärke der Studie in der Fläche sind klar die kurzen Wege für die Studienteilnehmer in der Region“, unterstrich Dr. Sabine Schipf, die als Studienzentrumsleiterin das 60-köpfige NAKO-Team MV koordiniert. An allen 18 Zentren wirken insgesamt rund 600 Mitarbeiter in den unterschiedlichsten Berufen, so unter anderem als Untersucher, Dokumentations- und Laborassistenten, Wissenschaftler, Ärzte, aber auch Studierende.
NAKO-Daten sind einzigartiger Fundus für die internationale Wissenschaft
Gegenwertig ist die Qualitätssicherung und Freigabe der Daten der ersten 100.000 Teilnehmer für die Veröffentlichung wissenschaftlicher Auswertungen in Vorbereitung. „Damit ist ein weiterer Meilenstein der NAKO auf dem Weg der innovativen Gesundheitsforschung erreicht. Die internationale Wissenschaft wartet nicht nur mit großem Interesse auf die ersten konkreten Ergebnisse“, sagte der Stellvertretende Wissenschaftliche Vorstand der Universitätsmedizin Greifswald, Prof. Karlhans Endlich. „Die hochqualitative Datenbasis wird in Form von verschlüsselten Werten auch für die Wissenschaft zur Verfügung stehen. Dafür wird gegenwärtig eine Transferstelle vorbereitet.“
Die Transferstelle der NAKO ist eine Einrichtung, bei der Forscher Daten und Bioproben für ihre Vorhaben beantragen können. Für nationale und internationale Forschungsvorhaben werden die Bioproben aus dem zentralen Bioprobenlager in München herausgegeben. Für die Lagerung der Bioproben unter standardisierten und qualitätsgesicherten Bedingungen investiert die NAKO in den Bau eines Biorepository, einer modernen Lagerungsstätte für ca. 21 Millionen Bioproben.
Das NAKO-Vorstandsmitglied Prof. Wolfgang Hoffmann vom Greifswalder Institut für Community Medicine ist für das zentrale Datenmanagement der NAKO und auch für die Entwicklung der entsprechenden IT-Infrastruktur der Transferstelle verantwortlich. „Die NAKO-Daten sind ein einzigartiger Fundus für die internationale Wissenschaft, der eine Vielzahl von innovativen Möglichkeiten zur Erforschung von neuen Behandlungsmethoden in der Medizin eröffnen wird“, erklärte Hoffmann.
Die Gesundheitsstudie wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, den beteiligten Ländern und der Helmholtz-Gemeinschaft gefördert. 210 Mio. Euro stehen für die ersten zehn Jahre zur Verfügung. Gut investiertes Geld, wenn berücksichtigt wird, dass allein die Ausgaben für die Behandlung von Volkskrankheiten jährlich ca. 80 Mrd. Euro betragen.
Hintergrund zur Langzeit-Bevölkerungsstudie NAKO
Untersuchungsprogramm
Das Basisprogramm erhalten bundesweit 200.000 Teilnehmer, bezogen auf die Region MV 20.000 Teilnehmer mit einem zeitlichen Umfang von drei bis vier Stunden inklusive Pausen und Imbiss.
Das umfangreichere Programm durchlaufen bundesweit 40.000 Teilnehmer. Bezogen auf die Region MV sind das 4.000 Teilnehmer, die ein Untersuchungsprogramm von ca. fünf bis sechs Stunden inklusive Pausen und Imbiss absolvieren.
Die Magnetresonanztomographie (MRT)-Untersuchung mit 1,5 Stunden ist von besonderem wissenschaftlichem Wert und wird bundesweit bei 30.000 Teilnehmern durchgeführt. Bezogen auf die Region MV als einem der fünf MRT-Standorte werden in der Neubrandenburger Region 6.000 Teilnehmer mit dem bildgebenden Verfahren untersucht.
Wer kann an der Studie teilnehmen?
Hin und wieder möchten Bürger auch ohne Einladung an der Studie teilnehmen, weil sie sich persönlich viel von einer gründlichen Untersuchung versprechen. Warum geht das nicht so einfach? Die Teilnehmer werden nach dem Zufallsprinzip über das zentrale Informationsregister in Schwerin ausgewählt. Dieses Prinzip der Stichprobenziehung ist für die Repräsentativität der Ergebnisse wichtig. Jeder Teilnehmer, der in der Region gemeldet ist, muss die gleiche Chance haben, in die Stichprobe aufgenommen werden zu können. Deshalb können nur die Einwohner mitmachen, die auch eine Einladung, den so genannten „grünen Brief“ erhalten. Für die Teilnahme an den MRT-Untersuchungen gelten zusätzliche Einschränkungen: Frauen mit einer möglichen oder sicheren Schwangerschaft dürfen nicht untersucht werden; gleiches gilt für Personen mit Herzschrittmachern oder großen Tätowierungen und anderen nicht MRT-kompatiblen Metallteilen im Körper. Die Verantwortung für die MRT-Untersuchungen liegt bei dem Greifswalder Institut für Diagnostische Radiologie und Neuroradiologie unter Leitung von Prof. Norbert Hosten.
Ersetzt der Gesundheits-Check den Hausarzt-Besuch?
Die NAKO ist eine wissenschaftliche Studie mit Forschungsfokus. Ziel ist es, Vorbeugung, Früherkennung und Behandlung der typischen Volkskrankheiten, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Krebs, aber auch noch weniger gut erforschte Erkrankungen wie Demenz, zu verbessern. Die Teilnahme ist somit kein Gesundheits-Check und es werden dementsprechend auch keine Diagnosen gestellt.
Als Dankeschön erhalten die Teilnehmer neben einer Aufwandsentschädigung und einem Imbiss einen Ergebnisbrief mit interessanten Informationen aus den durchgeführten Untersuchungen. Diesen Brief können die Teilnehmer bei ihrem Hausarzt vorlegen.
Jeder Teilnehmer, der es wünscht, erhält darüber hinaus eine Rückmeldung zu seiner Blutentnahme. Diese Sofortanalysen werden im Greifswalder Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin unter Leitung von Prof. Matthias Nauck durchgeführt. Die weiteren Bioproben werden teilweise in einem zentralen Biorepository in München eingelagert, teilweise dezentral gelagert. Die dezentralen Bioproben der Region MV werden in einer automatischen Biobank der Universitätsmedizin Greifswald eingelagert.
Warum wurde die Mecklenburgische Seenplatte als Basisregion gewählt?
Zum einen, weil die SHIP-Studie bereits in Vorpommern durchgeführt wird (Study of Health in Pomerania). Zum anderen, weil die Nachbarregion Besonderheiten aufweist, die im Vergleich zu anderen Regionen Deutschlands von großem Interesse sind. Diese Region ist durch eine relativ hohe Arbeitslosigkeit und Abwanderung geprägt. Vor allem im Osten Mecklenburg-Vorpommerns ist das Armutsrisiko (Uecker-Randow und Demmin) im Vergleich zu wirtschaftlich stärkeren Regionen des Landes sehr groß. Wie sich diese sozialökonomischen Faktoren auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirken, auch das soll im Rahmen der NAKO erforscht werden.
Was passiert mit den ganzen Daten?
Das Institut für Community Medicine mit der Abteilung Versorgungsepidemiologie und Community Health unter Leitung von Prof. Wolfgang Hoffmann ist an zentralen Einrichtungen wie am Datenintegrationszentrum oder der Transferstelle der NAKO beteiligt. Darüber hinaus betreibt die Unabhängige Treuhandstelle der Universitätsmedizin die Treuhandstelle der NAKO.
Durch die langjährige Erfahrung im Datenmanagement ist in der Abteilung von Prof. Wolfgang Hoffmann einer der beiden Standorte des Datenintegrationszentrums angesiedelt; der zweite befindet sich am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Das Datenintegrationszentrum stellt den bundesweiten Studienzentren die Programme zur Datenerhebung bereit und speichert alle Studiendaten zentral.
Die Studiendaten umfassen nicht nur die Befragungen, sondern auch Daten aus Medizingeräten und z.B. dem MRT. Eine standardisierte und zentralisierte Datenerhebung ist wichtig, um über alle Studienzentren vergleichbare Daten zu erhalten und Forschern diese für wissenschaftliche Auswertungen zur Verfügung stellen zu können. Danach sollen im Datenintegrationszentrum unter anderem auch die Analyseergebnisse der Bioproben durch die Forscher in der Studiendatenbank gespeichert werden, um eine erneute Analyse derselben Parameter zu vermeiden. Ein ganz wichtiger Aspekt der Datenverarbeitung ist der Datenschutz, für den die NAKO ein umfangreiches Konzept erstellt hat.