Sieger "Ökumenische Förderpreis"
Ökumenischer Förderpreis „Eine Welt“ für „Haus der Begegnung M41" in Parchim
Das „Haus der Begegnung M41“ in Parchim hat am 05. November 2024 den mit 2000 Euro dotierten „Ökumenischen Förderpreis Eine Welt M-V“ gewonnen. Bei der feierlichen Eröffnung der Veranstaltungsreihe „WeltWechsel 2024“ im Rostocker Rathaus wurde die Parchimer Einrichtung als ein „Ort des Willkommens, der Freundschaften, des Verständnisses und der gegenseitigen Unterstützung“ gewürdigt.
Den zweiten Preis (1500 Euro) bekam das Gymnasium Ribnitz-Damgarten für seine gelungene Schülerpartnerschaft mit der St. Monica Girls Primary Schule in Lodwar (Kenia). Der dritte Preis (1000 Euro) ging an die Initiative Rostock Postkolonial. Einen mit 1000 Euro dotierten Sonderpreis erhielt die Sea Eye-Gruppe aus Greifswald.
Parchimer Einrichtung ist Plattform für Dialog und Verständnis
Im Haus der Begegnung M 41 treffen sich seit 2015 Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit und ohne Migrationsgeschichte im Kinder- und Jugendtreff, im Sprechcafé oder zum Mittagessen. „In einer Welt, in der schon kleinste Differenzen immer häufiger zu Trennung führten, bringe das M41 Menschen unterschiedlichster Herkunft zusammen“, sagte MV-Bischof Tilmann Jeremias in seiner Laudatio für den ersten Preisträger. Die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde in Parchim habe so eine Plattform für Dialog und Verständnis geschaffen.
Andrea Krönert: alle ausgezeichneten Projekte beeindrucken
„Ich bin ebenso von den Zweit- und Drittplatzierten sehr beeindruckt“, ergänzte Andrea Krönert, Geschäftsführerin des Eine-Welt Landesnetzwerks Mecklenburg-Vorpommern. „Sie alle arbeiten auf ihre Weise für eine gerechtere Welt.“ Egal ob es wie bei der Schulpartnerschaft darum geht Vorurteile und Klischees abzubauen und einander als Partner: innen zu begreifen, oder wie bei der Gruppe Rostock Postkolonial, den Finger auf die Wunde zu legen und die koloniale Geschichte Mecklenburg-Vorpommerns aufzuarbeiten. Auch der Sonderpreis für die Greifswalder Gruppe Sea Eye, die sich dafür einsetzt, dass Menschen nicht mehr auf der Flucht nach Europa sterben müssen, sei ein starkes Symbol.
„Wenn man den aktuellen Debatten folgt, könnte man glauben, dass Migration unser größtes Problem ist. Dabei finden die wirklichen Probleme, wie zum Beispiel die globale Erderwärmung, in der öffentlichen Diskussion kaum noch statt, so Andrea Krönert. „Für uns ein wichtiger Grund, die Veranstaltungsreihe WeltWechsel in diesem Jahr unter das Motto ,Mensch. Macht. Klima‘ zu stellen. „Die globale Klimagerechtigkeit braucht viel mehr Aufmerksamkeit.“
Bischof Jeremias: Angebote stärken Netzwerke in schwierigen Zeiten
In seiner Laudatio skizzierte Bischof Jeremias die besonderen Angebote im Parchimer Haus der Begegnung M 41. So biete der multikulturelle Kinder- und Jugendtreff „eMMy“ mit Hausaufgabenhilfe, Spiel und kreativen Workshops einen „sicheren Raum auch für Themen wie Mobbing oder Erfahrungen von Rassismus“. Und die „MittwochsMa(h)lZeit“ schlage Brücken, „indem sie eine gemütliche Atmosphäre schafft, in der Freundschaften entstehen und Gespräche geführt werden, die Herzen und Köpfe öffnen“, so der Bischof und ergänzte, dass das Sprechcafé eine wertvolle Basis zum Austausch biete, gerade wenn die deutsche Sprache noch schwerfällt, während das Frauenfrühstück nicht nur kulinarische Genüsse bietet, sondern auch kulturellen Austausch fördert. „All diese Begegnungen stärken soziale Netzwerke, die in schwierigen Zeiten wichtig sind“, unterstrich Tilman Jeremias bevor er das Preisgeld und den Wanderpokal überreichte – eine von Händen umfasste und aus Bronze gestaltete Weltkugel.
Norbert Nagler: Austausch knüpft auch familiäre Bande zwischen Afrika und Europa
Wenn junge engagierte und motivierte Menschen einander begegnen, entstehen Verbindungen, die sie ein Leben lang prägen und tragen. Dies trifft beispielsweise auf die Internationale Schulpartnerschaft zu, die die katholische Girls Primary School St. Monica in Lodwar – gelegen im Norden Kenias – und das Richard-Wossidlo Gymnasium in Ribnitz-Damgarten seit 2020 verbinden. „Mittlerweile haben schon mehrere Generationen von Jugendlichen im Kurs ,Internationale Schule‘ voneinander und miteinander gelernt und sich gegenseitig inspiriert“, sagte Dr. Norbert Nagler vom Erzbistum Hamburg in seiner Laudatio auf den 2. Preisträger. Dabei sei der Start des Projektes mitten in der Corona-Pandemie alles andere als leicht gewesen.
Doch 2022 konnten Schülerinnengruppen endlich von Lodwar nach Ribnitz-Damgarten und umgekehrt reisen. Der Austausch berührte auch das Umfeld, die Familien und Freunde der Jugendlichen. Nagler: „So entstanden private Kontakte jenseits der Klassenräume, die bis heute andauern. Beispielsweise reist eine Familie aus Ribnitz-Damgarten inzwischen regelmäßig nach Lodwar und engagiert sich in Kenia. Und eine ehemalige Schülerin des Richard- Wossidlo-Gymnasiums absolviert gerade ein Praktikum in Lodwar.“
Sybille Dally: Das Engagement hat den kritischen Blick geschärft
Seit sieben Jahren engagiert sich eine kleine Gruppe von Menschen bei Rostock Postkolonial. Die Initiative sucht nach Spuren kolonialer Herrschaft in Rostock. „Denn Kolonialismus wirkt bis heute nach. Bis heute haben weltweite Ungerechtigkeiten ihre Wurzeln im Kolonialismus“, sagte Sybille Dally von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen/ACK in ihrer Laudatio. „Und trotzdem fehlt eine Auseinandersetzung mit diesem düsteren Teil der deutschen Geschichte, in den Schulen und in der Gesellschaft.“
Konkret war es der Initiative im Herbst 2023 gelungen eine kolonialismuskritische Veränderung im Rostocker Stadtbild zu schaffen. „Die Statue von Paul Pogge im Rosengarten wurde versetzt. Sie steht nun auf einem niedrigeren Sockel und Pogge wird auch nicht mehr als ,Afrikaforscher‘ bezeichnet. Stattdessen gibt es einen kritischen Begleittext zu seiner Person“, berichtete Sybille Dally. Denn Paul Pogge habe im 19. Jahrhundert zu den Wegbereitern der systematischen Kolonialisierung des afrikanischen Kontinents gehört. „Seine Reiseberichte stellten die Menschen im heutigen Angola und Kongo als primitiv und unterlegen dar und prägen das rassistische Menschenbild bis heute.“
Generell soll das Thema Kolonialismus und seine Folgen auf Anregung von Postkolonial in das Erinnerungskonzept der Hansestadt einfließen. Zudem habe die Stadt einen Forschungsauftrag beantragt, um den Kolonialismus in Mecklenburg-Vorpommern weiter zu untersuchen. „Ohne das innovative Gedankengut und das Engagement der Initiative Rostock Postkolonial wäre es vermutlich nicht so weit gekommen. Beides hat den kritischen Blick geschärft“, lobte die Laudatorin und ermutigte: „Macht weiter mit euren Recherchen, mit euren kritischen Stadtrundgängen, mit euren Bildungsangeboten.“
Propst Fey: Leidenschaft für eine Weltgemeinschaft und gelebte globale Solidarität
Die Organisation Sea Eye sucht auf der tödlichsten Fluchtroute der Welt nach Menschen in Seenot. Sie kämpft gegen deren Ertrinken. Trotz widrigster Umstände. Trotz menschenverachtender Behördenvorgänge. „Ihr Handeln ist eine Antwort auf die gescheiterte Migrationspolitik der Europäischen Union“, sagte der mecklenburgische Propst Dirk Fey in seiner Laudatio für den Sonderpreis, der an die lokale Gruppe Greifswald von Sea Eye ging.
Die Gruppe macht Menschen auf das Thema Seenotrettung aufmerksam: bei Kundgebungen, bei Konzerten und Lesungen, mit Infoständen, mit Vorträgen und mit Filmvorführungen. „Sie arbeiten mit Schulklassen. Darüber hinaus führen sie Podiumsdiskussionen mit Geflüchteten. Sie sammeln Spenden und bringen sich thematisch in Gottesdiensten ein“, skizzierte der Propst. Ganz konkret habe die Gruppe beispielsweise verhindert, dass die Stadt Greifswald die Schiffspatenschaft für die SEA-EYE 4 einstellte.
„Wie gut, dass es Menschen gibt, die über sich hinausdenken! Die für grundlegende Menschenrechte eintreten, für das Miteinander, für das Gemeinwohl und das gute Leben – für alle! Die Sea Eye Lokalgruppe Greifswald engagiert sich mit Leidenschaft für diese eine Weltgemeinschaft und lebt globale Solidarität“, sagte der Laudator.
Ökumenische Preisvergabe in MV seit 2007
Der mit insgesamt 5.500 Euro dotierte Förderpreis Eine Welt M-V zeichnet Initiativen und Projekte aus, die sich für Gerechtigkeit in der Einen Welt, für geflüchtete Menschen und für lebendige Süd-Nord-Partnerschaften engagieren. Den Preis gibt es seit 2007, seit 2014 wird er gemeinsam von den Kirchenkreisen Mecklenburg und Pommern, den Erzbistümern Berlin und Hamburg sowie der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in M-V verliehen. Kooperationspartner ist das Eine-Welt-Landesnetzwerk Mecklenburg-Vorpommern.
Die Veranstaltungsreihe WeltWechsel steht dieses Jahr unter dem Motto „Mensch. Macht. Klima“: Bei insgesamt 80 Veranstaltungen an 17 Orten in ganz Mecklenburg-Vorpommern geht es um Klimagerechtigkeit. Filme, Lesungen, Diskussionen und Vorträge, die zeigen, was für eine gerechtere Verteilung getan werden kann. In Mecklenburg-Vorpommern und weltweit.
Hintergrund:
Die frühere mecklenburgische Landessynode hatte anlässlich der kirchlichen Aktivitäten zum G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm die Vergabe eines „Förderpreises Eine Welt“ beschlossen und mehrfach verliehen. Der neue „Ökumenische Förderpreis Eine Welt“ wird alle zwei Jahre in MV von den evangelischen Kirchenkreisen Mecklenburg und Pommern, den katholischen Erzbistümern Hamburg und Berlin sowie der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen MV vergeben. Eine Jury unter Mitwirkung des Eine-Welt-Landesnetzwerkes M-V e.V. wählt die Preisträger zuvor aus.
Das Eine-Welt-Landesnetzwerk MV koordiniert die jährliche entwicklungspolitische Veranstaltungsreihe. Finanziert wird sie von Engagement Global, der Norddeutschen Stiftung für Umwelt und Entwicklung, dem Kirchlichen Entwicklungsdienst der Nordkirche und dem Land Mecklenburg-Vorpommern. WeltWechsel findet jedes Jahr im November statt.