16. Allgemeinverfügung des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte zur Regelung von Maßnahmen zur Begrenzung der Neuinfektionen COVID-19/Übertragung von SARS-CoV-2 vom 16.10.2020
Private Zusammenkünfte im Familien- oder Freundeskreis mit mehr als 15 Teilnehmern, die in der privaten Häuslichkeit oder die privat in sonstigen Räumlichkeiten oder auf eigenen oder privat zur Verfügung gestellten Flächen unter freiem Himmel organisiert und durchgeführt werden, sind untersagt. Private Zusammenkünfte im Familien- und Freundeskreis mit mehr als 25 Teilnehmern, die in Gaststätten oder sonst gewerblich organisiert und durchgeführt werden, sind untersagt. Erweiterte Maskenpflicht – der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte hat per Allgemeinverfügung, unterzeichnet von Landrat Heiko Kärger, die Einwohner am Freitagnachmittag vor vollendete Tatsachen gestellt.
Vollzug des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG)
Der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte erlässt folgende Allgemeinverfügung nach § 28 Absatz 1 Satz 1 und Satz 2 i. V. m. § 16 Absatz 1 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1385):
- Private Zusammenkünfte im Familien- oder Freundeskreis mit mehr als 15 Teilnehmern, die in der privaten Häuslichkeit oder die privat in sonstigen Räumlichkeiten oder auf eigenen oder privat zur Verfügung gestellten Flächen unter freiem Himmel organisiert und durchgeführt werden, sind untersagt.
- Private Zusammenkünfte im Familien- und Freundeskreis mit mehr als 25 Teilnehmern, die in Gaststätten oder sonst gewerblich organisiert und durchgeführt werden, sind untersagt.
- In allen Einkaufszentren, auf Wochenmärkten, Spezialmärkten, Floh- und Trödelmärkten, Jahrmärkten besteht die Pflicht, eine Mund-Nase-Bedeckung (zum Beispiel Alltagsmaske, Schal, Tuch) zu tragen, wobei Kinder bis zum Schuleintritt und Menschen, die aufgrund einer medizinischen oder psychischen Beeinträchtigung oder wegen einer Behinderung keine Mund-Nase-Bedeckung tragen können und dies durch eine ärztliche Bescheinigung nachweisen können, ausgenommen sind. Die ärztliche Bescheinigung ist mit sich zu führen und auf Verlangen den zuständigen Behörden vorzuzeigen. Die Ausnahme gilt auch für Beschäftigte, soweit sie durch eine Schutzvorrichtung geschützt werden oder beim Verräumen von Ware der Abstand zu anderen Personen ausreichend gewährleistet ist.
- Veranstaltungen in geschlossenen Räumen mit über 200 Teilnehmern und Veranstaltungen unter freiem Himmel mit über 500 Teilnehmern sind untersagt.
- Gaststätten im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Gaststättengesetzes (Speisewirtschaften) und Gaststätten im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 1 des Gaststättengesetzes (Schankwirtschaften) sind in der Zeit von 0 bis 6 Uhr eines Tages zu schließen. Der Betrieb in der Zeit von 0 bis 6 Uhr ist untersagt.
- Diese Allgemeinverfügung tritt am 17.10.2020 in Kraft.
- Der jederzeitige Widerruf gemäß § 49 Absatz 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz
Die Allgemeinverfügung ist kraft Gesetzes sofort vollziehbar, § 28 Absatz 3 i. V. m. § 16 Absatz 8 IfSG.
Begründung: Die Landkreise sind zuständig für die angeordneten Maßnahmen gem. § 2 Absatz 2 Nummer 1 des Gesetzes zur Ausführung des Infektionsschutzgesetzes (Infektionsschutzausführungsgesetz - IfSAG M-V) vom 3. Juli 2006 (GVOBl. M-V S. 524), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Mai 2018 (GVOBl. M-V S. 183, 184).
Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtigte oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde nach § 28 Absatz 1 Satz 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Demgemäß kann sie insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten, vgl. § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG.
Gemäß § 2 Nummer 1 IfSG sind Krankheitserreger im Sinne des Infektionsschutzgesetzes vermehrungsfähige Agens (Virus, Bakterium, Pilz, Parasit) oder ein sonstiges biologisches transmissibles Agens, dass bei Menschen eine Infektion oder übertragbare Krankheit verursachen kann.
Bei SARS-CoV-2 handelt es sich um einen Krankheitserreger im Sinne des § 2 Nummer 1 IfSG. Durch den vorherrschenden Übertragungsweg von SARS-CoV-2 der Tröpfcheninfektion kann es zu Übertragungen von Mensch zu Mensch kommen. Diese Übertragung kann auch durch infizierte Personen erfolgen, die nur mild erkrankt sind oder keine Symptome zeigen. Dabei legen die Entwicklungen in anderen Ländern innerhalb und außerhalb der Europäischen Union den Rückschluss nahe, dass die Erkrankung allen voran bei älteren Menschen und Menschen mit Grunderkrankungen teilweise auch von einer schwereren Verlaufsform begleitet sein kann. Das Robert-Koch-Institut führt in Bezug auf Personengruppen mit einem erhöhten Risiko für einen schwereren Krankheitsverlauf konkret aus, dass insbesondere Menschen ab 60 Jahren und solche mit verschiedenen Grunderkrankungen, wie z. B. Herzkreislauferkrankungen, Diabetes, Erkrankungen des Atmungssystems, der Leber und der Niere sowie Krebserkrankungen, hiervon betroffen sind. Bei älteren Menschen mit vorbestehenden Grunderkrankungen ist das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf höher als wenn nur ein Faktor (Alter oder Grunderkrankung) vorliegt. Der fachlichen Bewertung des Infektionsrisikos durch das Robert Koch-Institut schließt sich der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte an.
Seit Februar des Jahres 2020 breitet sich die durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 hervorgerufene akute Atemwegserkrankung Covid-19 in Deutschland aus. Auf der Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 14.Oktober wurde über Maßnahmen zur Bekämpfung der SARS-Cov2- Pandemie Beschluss gefasst. Im Rahmen der Hotspot-Strategie werden die Inzidenzwerte von 35 und von 50 Neuinfektionen auf 100.000 Personen in den zurückliegenden sieben Tagen als wichtige Kennzahlen für das Infektionsgeschehen gesehen. Spätestens bei diesen Werten sollen einschränkende Maßnahmen und dann nochmals verschärfte Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens ergriffen werden. Im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte sind bereits 288 Infektionsfälle amtlich bekannt, davon entfielen 84 Neuinfektionen auf die letzten sieben Tage, was eine Inzidenz von 32,8 je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen bedeutet. (Stand: 15.Oktober 16:25 Uhr, Quelle: LAGuS M-V https://www.lagus.mvregierung. de/Gesundheit/InfektionsschutzPraevention/Daten-Corona-Pandemie).
Für den Landkreis Mecklenburgische Seenplatte wird aktuell der höchste Inzidenzwert innerhalb Mecklenburg-Vorpommerns verzeichnet. Ein Anstieg der Inzidenz im Landkreis auf bzw. über den kritischen Wert wird für die nähere Zukunft erwartet. Im internen Lagebericht des Landkreises wird für den 16.10.2020 bereits mit einem Inzidenzwert von 34,4 gerechnet. Das Erreichen des Inzidenzwertes von 35 ist als unmittelbar bevorstehend einzuschätzen. Kennzeichnend für das Infektionsgeschehen im Landkreis ist eine Zunahme in der Fläche. Der Anstieg der Inzidenz wird nicht durch einen einzigen schwerpunktartigen Infektionsherd verursacht, der erkannt und gezielt isoliert werden könnte. Insgesamt verschärft sich die Situation deutschlandweit und in Mecklenburg-Vorpommern; mittlerweile gibt es 341223 amtlich bekannt gewordene Fälle in Deutschland, in Mecklenburg-Vorpommern wurden bislang 1595 Menschen positiv auf das Virus getestet. Deutschlandweit wurden 9710 Todesfälle registriert (Stand: 15.Oktober 16:25 Uhr, Quelle: LAGuS M-V https://www.lagus.mvregierung. de/Gesundheit/InfektionsschutzPraevention/Daten-Corona-Pandemie). Infolge des sprunghaften Anstiegs der 7-Tages-Inzidenz ist aus der bis dahin relativ abstrakten Gefahrenlage eine konkrete Gefahrenlage innerhalb des Landkreises erwachsen, welche den Erlass dieser Allgemeinverfügung erfordert. Der Anstieg der Infektionen in der Breite der Bevölkerung und nicht in einer konkret eingrenzbaren Personengruppe machen die Maßnahmen in ihrer Allgemeinheit notwendig. Für die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckungsgefahr gilt dabei kein strikter, alle möglichen Fälle gleichermaßen erfassender Maßstab. Vielmehr ist der geltende Grundsatz heranzuziehen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22. März 2012, Az. 3 C 16/11).
Aufgrund der besonderen Gefahr, die von dem neuartigen Erreger aufgrund seiner recht hohen Übertragbarkeit und der häufig schweren bis hin zu tödlichen Krankheitsverläufen bei den Risikogruppen für die öffentliche Gesundheit in Deutschland und weltweit ausgeht, sind an die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung eher geringe Anforderungen zu stellen, sodass hier das Übertragungsrisiko aufgrund der Nähe zu der infizierten Person ausreicht. Zur Eindämmung des Infektionsgeschehens ist die Nachverfolgbarkeit der Infektionswege von überragender Bedeutung. Nur bei einer Nachverfolgbarkeit können die Infektionswege erfolgreich unterbrochen werden. Mit steigenden Inzidenzen wird die Nachverfolgung durch die Gesundheitsbehörden deutlich erschwert. Spätestens ab einem Inzidenzwert von 35 ist die Nachverfolgung erschwert, ab einem Inzidenzwert von 50 ist eine Nachverfolgung durch die Gesundheitsbehörden kaum noch zu bewerkstelligen. Die angeordneten Maßnahmen sind weitreichend, dienen aber der Prävention und dem Schutz der Bevölkerung, insbesondere auch der vorgenannten Risikogruppen, um die Ausbreitung des Virus weitgehend einzudämmen. Abzuwägen waren die Interessen der Allgemeinheit (Bevölkerungsschutz und Schutz des medizinischen Versorgungssystems) mit den Interessen des Einzelnen unter der Möglichkeit der grundsätzlichen Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Lebens im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte.
Ziel der Allgemeinverfügung ist es, die Übertragungswege von SARS-CoV-2 zu unterbrechen und das Risiko einzudämmen. Gerade private Feiern, sei es in privaten Räumen oder gewerblich bereitgestellten Räumen, haben sich als ein Risikoereignis erwiesen. Um potenzielle Infektionsherde kleinzuhalten, ist eine Begrenzung der Anwesenden erforderlich mittels der Maßnahmen zu 1. und zu 2. Die Geltung von Hygienekonzepten in gewerblich bereitgestellten Räumen lässt eine etwas höhere Zahl an Anwesenden zu. Die Maßnahme zu 3. soll Infektionsschutz durch den Gebrauch von Mund-Nase- Bedeckungen erreichen. In öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten ist bei typisierender Betrachtung ein Halten des Mindestabstands nicht immer möglich. Gleiches gilt unter freiem Himmel auf Märkten. Bei einer Unterschreitung des Mindestabstands von 1,5 m ist das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung die einzig geeignete Schutzmaßnahme.
Die Maßnahme zu 4. dient dazu, potenzielle Infektionsherde kleinzuhalten und etwaig nachzuverfolgende Kontakte zu begrenzen. Mit der Maßnahme zu 5. soll die Einhaltung der allgemeinen Infektionsschutzmaßnahmen gefördert werden. Es ist nicht ungewöhnlich, dass zu fortgeschrittener Stunde Geselligkeit und Nachlässigkeiten zunehmen, oftmals in Folge von Alkoholkonsum und Müdigkeit. Um die Eindämmung des Infektionsgeschehens sicherzustellen, sind die hier verfügten Maßnahmen geeignet und erforderlich. Die Maßnahmen sind zur Gefahrenabwehr geeignet, da durch sie die dringend erforderliche Verzögerung des Eintritts von weiteren Infektionen erreicht werden kann. Dadurch gelingt es, das Gesundheitswesen nicht zu überlasten und die erforderlichen Kapazitäten für die Behandlungen von Erkrankten sowie sonstigen Krankheitsfällen bereitzuhalten. Damit wird auch Zeit gewonnen, Therapeutika und Impfstoffe zu entwickeln. Gegen den sich zunehmend ausbreitenden Coronavirus SARS-CoV-2 stehen derzeit weder eine Impfung noch gesicherte und flächendeckend verfügbare Behandlungsmethoden zur Verfügung. Daher stellen die kontaktreduzierenden Maßnahmen und die Empfehlungen für die breite Bevölkerung das einzig wirksame Mittel zum Schutz der Gesundheit der Allgemeinheit und zur Aufrechterhaltung zentraler Infrastrukturen dar. Insbesondere sind aufgrund der von allen Gesundheitsbehörden auf internationaler (WHO, CDC, ECDC) und nationaler Ebene (BMG, RKI, MSGJFS) bestätigten Lage aus fachlicher Sicht keine weniger eingriffsintensiven Schutzmaßnahmen denkbar, die in vergleichbarer Weise geeignet und effektiv wären, um die angestrebte, breite Schutzwirkung zu erreichen. Vor dem Hintergrund des bestehenden Infektionsrisikos, stehen die Maßnahmen insgesamt in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Schutz höherwertiger Rechtsgüter wie Leben, Leib und Gesundheit der Bevölkerung und der Aufrechterhaltung des Gesundheitssystems, Pflegesystems, unabdingbarer Betreuungsleistungen sowie der öffentlichen Daseinsvorsorge. Sowohl die wirtschaftlichen und persönlichen Interessen Einzelner sowie deren Rechte, insbesondere die betroffenen Grundrechte Einzelner, wie Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 Grundgesetz, müssen in Anbetracht der vorrangigen Interessen der Gesundheitssicherung der Bevölkerung, insbesondere der Risikogruppen, dahinter zurückstehen. § 28 Absatz 1 Satz 4 IfSG normiert, dass die Grundrechte, insbesondere das Grundrecht auf Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz) und die Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Grundgesetz) insoweit eingeschränkt werden. Hinsichtlich des Zeitpunkts, an dem diese Allgemeinverfügung in Kraft tritt, findet § 41 Abs. 4 S. 4 VwVfG M-V Anwendung.